Es muss im Jahr 2012 gewesen sein, da beschlossen vier Burschen in Wien, eine Theatergruppe zu gründen – mit dem Ziel, „abseits vorhandener Strukturen eigene Ideen für die Bühne zu entwickeln“. Oder, wie Anton Widauer es bei einem Treffen im Wiener Theater Bronski & Grünberg ausdrückt: „Das Kollektief entstand aus jugendlicher Schauspielwut. Alle waren noch in der Schule, in Jugendklubs und nutzten die Nachwuchsangebote der großen Häuser. Aber es gab keinen Raum, wo sie eigene Stücke einstudieren konnten – ohne die Aufsicht von Erwachsenen.“
Treibende Kraft waren Max Smirzitz, der sich als Dramatiker ausprobierte, Florentin Bergsmann als Musiker und Max Payer, der sich gerne Wettermann nannte. Smirzitz liebte Wortspiele, er schrieb konsequent alle Buchstaben klein, nach dem Vorbild von Elfriede Jelinek. Die ersten Produktionen spielten sie in Wien: Für „wettermann“ und „die kreuzung“ mietete sich das Kollektief im Theater Brett ein, im Off Theater folgten „das monument“ (2013), „spiegel“ (2014) und „vier bis vier“ (2016), beim Primavera Festival im Schikaneder Kino präsentierte die Gruppe das neckische „kurz sebastian sein“.
Wohnungsprobe
2014 war Widauer zur Boygroup gestoßen. Irgendwann fiel auf, dass Mädchen fehlten. Mit Alina Schaller setzte man zunächst „er / ich – ein junger mensch auf der flucht“ (2016) um: Smirzitz verarbeitete die Lebensgeschichte des Fotografen Erich Lessing, der als Jugendlicher vor den Nazis nach Palästina flüchten musste. Die Gruppe probte in elterlichen Wohnungen. „Wir haben inszeniert, diskutiert, herumgesponnen“, erinnert sich Alina Schaller. „Wir hatten Narrenfreiheit, da es niemanden gab, der uns gesagt hat, wie man was machen muss. Wir konnten daher auch gemeinsam einen Geschmack für Theater und generell für Kunst entwickeln.“
„Urviel Geld“
Investiert wurde nur, was man einspielte. „Und wir suchten um Jugendförderungen an“, sagt Widauer. „Sie sind enorm wichtig, damit Kreatives entstehen kann.“ Es handelte sich immer nur um ein paar Hundert Euro, aber für die Gruppe war das „urviel Geld“, so Schaller. „Denn damit konnten wir die Basics für die Ausstattung kaufen.“
2017 realisierte das Kollektiv, zu der nun auch Anna Marboe gehörte, im damals gerade eröffneten Bronski & Grünberg in Wien „one to one“ als immersives Stationentheater: „Es gab zehn Einzelperformances – und parallel spielten je eine Schauspielerin und ein Schauspieler für je eine Person. Wir nutzten jeden Winkel des Theaters. Es entstanden sehr intime Situationen“, erzählt Alina Schaller. Jenes Jahr war ein Wendepunkt. Max Smirzitz und andere gingen nach der Matura nach Deutschland. „Die Gruppe wurde sehr fluid. Das Kollektief entwickelte sich zu einer Plattform für junge KünstlerInnen, die einen ähnlichen Ansatz verfolgten“, sagt Schaller. Sie selbst spielte bei „Hangmen“ im Volx/Margareten, der Nebenspielstätte des Wiener Volkstheaters mit – und wurde für den Nachwuchs-Nestroy nominiert. Und Widauer, der am Max Reinhardt Seminar aufgenommen worden war, durfte bei den Stockerauer Festspielen eine wortwörtlich tragende Rolle übernehmen – als Kellner. Dort lernte er Zeno Stanek, den umtriebigen Intendanten, und Katharina Stemberger kennen, die gerade am Konzept für das Festival Hin & Weg arbeiteten. Stemberger war von „one to one“ begeistert: Ein solches Format brauche es für Litschau, wo man gern überraschende Orte nutzt. 2018 adaptierte die Gruppe ihre Produktion in der Regie von Anna Marboe für das dortige Bahnhofsgelände – wenngleich aus ökonomischen Gründen als „one to three“.