Zur Mittagszeit des 11. August 2024 ließ sich die Sonne nicht besonders davon beeindrucken, dass Litschau die nördlichste Stadt Österreichs ist. Bei 30 Grad im Schatten streiften schwitzende Theaterfans, auf der Suche nach einer Location mit der Bezeichnung „Bahnhof/Lagerhaus“, durch den Ort. Erst beim Anblick eines grasgrünen Blechtanks, vor dem Personen mit Scannern warteten, wurde klar: Exakt hier, auf dieser Gstettn, würde gleich das Stück „Der Mann der im Brunnen saß und da lag und da lag“ (genau, ohne Interpunktionen) der Südtiroler Autorin Miriam Unterthiner aufgeführt. Gegen die Hitze konnten die Gäste Schirme ausleihen, die freilich jenen auf den hinteren Rängen die Sicht raubten. Doch man wusste sich zu arrangieren, die Aufführung konnte starten. Unbeeindruckt von der Geschichte, die sich in und um den Tank entfaltete, summten währenddessen Bienen im Gras, gab ein Traktor auf der Straße seine Kommentare ab.
Theater statt Tennis
Der improvisierte Spielort, die pragmatische Reaktion auf Unvorhergesehenes, die Umgebungsgeräusche – genau das macht das Litschauer Theaterfestival Hin & Weg aus. Seit 2018 verzaubert es jeden Sommer ein wachsendes Publikum. Theaterleute, Schriftstellerinnen und Schriftsteller sowie zahllose Ehrenamtliche arbeiten an Aufführungen, Lesungen, Diskussionsrunden, Workshops und gemeinsamen Spaziergängen. Die Bühnen sind in Lagerhallen, aufgelassenen Kaufhäusern, Bäckereien und Tankstellen, Gärten, ehemaligen Schlachtereien. Manchmal werden Gäste in Privathäuser oder in den Wald gelotst, aber auch in das vergleichsweise konventionelle Herrenseetheater und das Theater Moment. So schreibt sich die Bühnenkunst direkt in den Ort ein – auf einmalige Art. Zumindest Zeno Stanek, der das Festival gemeinsam mit Schauspielerin Katharina Stemberger und Musikerin Sigrid Horn leitet, ist nichts Vergleichbares bekannt.
Als Stanek, in Wien aufgewachsen, in den 1990er-Jahren Litschau für sich entdeckte, studierte er gerade Regie am Max-Reinhardt-Seminar. Mit seinen Kolleginnen und Kollegen suchte er damals einen Spielort, wie er im Dorfwirt erzählt. Das Restaurant liegt mitten im Theater- und Feriendorf Königsleitn, das gewissermaßen aus den Litschauer Kulturfestivals – neben dem Hin & Weg gibt es schon seit 2007 das Schrammelklang-Festival – herauswuchs. Zudem schaffte es Stanek, eine einstige Tennishalle zur Veranstaltungslocation Moment umbauen zu lassen, die am Dachboden einen unerschöpflichen Theaterfundus mit Kostümen, Masken, Perücken, Accessoires und Bühnenobjekten beherbergt.