„Extrem menschliche Insel“: Christa Hauer (ganz rechts) bei einem ihrer legendären Feste auf Schloss Lengenfeld, 1975
„Extrem menschliche Insel“: Christa Hauer (ganz rechts) bei einem ihrer legendären Feste auf Schloss Lengenfeld, 1975

Zur Person

Zwei Herzen mit Humor


Mit Witz und Beharrlichkeit wirbelte Christa Hauer (1925–2013) die Kunstszene auf. Progressiv war sie nicht nur als Malerin, sondern auch als eine, die über geografische Grenzen blickte. Und ihr feministisches Engagement bleibt bis heute vorbildlich.

Eine Zigarette in der Hand, das Weinglas lachend erhoben, die überdimensionale Brille im Gesicht, das Haar über und über mit Margariten bepflanzt: So posiert Christa Hauer, gehüllt in eine folkloristische Bluse, im Laubengang von Schloss Lengenfeld bei Krems.

Das Foto entstand 1975, auf einer dieser legendären Partys, bei denen die Wiener Kunstszene auf die örtliche Bevölkerung traf. An einem Ort, der eine „extrem menschliche Insel“ war. So drückte es einmal Florian Reither, später Mitglied der Künstlergruppe Gelatin, aus. Er musste es wissen, war er doch schon als Kind häufig dort zu Gast.

Damals feierte Christa Hauer ihren 50. Geburtstag. Nach einem halben Jahrhundert blickte sie auf ein reiches Leben zurück. Wer sie kannte, erinnert sich an eine charismatische Persönlichkeit. Oft umspielte ein feines Lächeln ihren Mund, Gespräche mit ihr waren geprägt von ihrem leicht keckernden Lachen. Ihr Witz zeichnete Christa Hauer, verstorben 2013, bis ins hohe Alter aus. Einmal erzählte sie von ihren frühen Jahren in Chicago, von ihrem Mann Johann Fruhmann und ihrem Kater Papageno. Während sie die dortige Kunstszene erkundete, badete der Gemahl zu Hause in seinem Heimweh und in Smetanas „Moldau“: „Ich glaube, der Papageno hat nicht geweint, aber der Hansl.“ Ein anderes Mal konterte sie den Vorwurf, dass „Frauenausstellungen“ nervten, so: „Dabei gibt es doch dauernd Männerausstellungen, nur werden die nicht als solche bezeichnet.“

Humor konnte die gebürtige Wienerin brauchen. Wahrscheinlich schon während ihrer künstlerischen Ausbildung, die mitten in der NS-Zeit begann. Zunächst studierte sie bei Herbert Dimmel, einem strammen Nazi, später bei Carl Fahringer und Fritz Wotruba. Letzterer, eine Ikone der österreichischen Nachkriegskunst, ärgerte sich einmal über seine wenig inspirierten männlichen Studenten. Christa solle „die Burschen“ mit ihrem „dämonischen Blick“ anschauen, so seine Aufforderung. Diese Episode erzählt viel darüber, wie es einer jungen ambitionierten Künstlerin damals ging: Anstatt ihr künstlerisches Fortkommen zu fördern, drängte der Professor sie in die undankbare Rolle der Muse. Dabei war Hauer alles andere als das. Wie zeitgenössisch sie die Kunst dachte, zeigte sich in den Kämpfen mit ihrem Vater Leopold, einem konservativen Maler, der einst sogar an der NS-Propagandaschau „Große Deutsche Kunstausstellung“ teilnahm (siehe Artikel ab Seite 36). Schon früh fand die Malerin zur Abstraktion, als diese in Österreich noch Minderheitenprogramm war. Vor allem in den USA, wo sie von 1953 bis 1960 lebte, sog sie die neuen Eindrücke auf.

„Christa Hauer.
Künstlerin, Galeristin, Aktivistin“
(bis 1. Juni 2026)
Landesgalerie Niederösterreich,
Museumsplatz 1, 3500 Krems
an der Donau:
Dienstag bis Sonntag und Montag,
wenn Feiertag, 10 bis 18 Uhr (März bis Oktober),
10 bis 17 Uhr (November bis Februar)
kunstmeile.at

Christa Hauer, Selbstporträt, 1945 © Archiv Hauer-Fruhmann
Christa Hauer, Selbstporträt, 1945 © Archiv Hauer-Fruhmann

Ein reiches Leben

Die Kunsthistorikerin Alexan­dra Schantl, die in den Landessammlungen Niederösterreich die Kunst nach 1960 betreut, hat sich mit Christa Hauers Biografie und Werk eingehend befasst. Die von ihr kuratierte Ausstellung „Christa Hauer. Künstlerin. Aktivistin. Galeristin“ in der Landesgalerie Niederösterreich beleuchtet, 100 Jahre nach dem Geburtstag der Künstlerin, die Stationen eines reichen Lebens: die Wiener Galerie im Griechenbeisl, die Künstlerinnengruppe Intakt, ihre zahllosen Aktivitäten am Schloss Lengenfeld, wo sie sich für eine menschen- und umweltfreundliche Ortskerngestaltung stark machte, die Dorfgemeinschaft mit Kunst in Kontakt brachte. Schantl: „In Christa Hauers Brust schlugen zwei Herzen. Neben ihrer Kunst war ihr auch das Engagement für andere wichtig.“ Durch ihre USA-Aufenthalte habe sie entdeckt, dass die Kunst international schon viel weiter war als in Österreich. Die Künstlerin sei in ihren Tätigkeiten nicht nur „sehr vielfältig“ gewesen, sondern habe auch „ein Sensorium für die brennenden Themen ihrer Zeit“ gehabt, analysiert Schantl. Zurück aus Chicago, wo sie sich mit der Gestaltung von Weihnachtsbilletts über Wasser gehalten hatte, gründete Hauer bald gemeinsam mit Fruhmann die legendäre Wiener Galerie im Griechenbeisl. Wie es bei Eröffnungen dort abging, dokumentierte das Künstlerduo K. U. SCH. in einem Kurzfilm, der in der Landesgalerie ausgestellt ist: knackevolle Räume mit redenden, trinkenden, gestikulierenden, rauchenden, essenden und dazwischen immer wieder ein Tänzchen hinlegenden Gästen.

Die Galerie blickte über den Tellerrand, in Länder, die der Kunstbetrieb weitgehend ignorierte: jene, die auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs lagen. Künstler wie Imre Bak, Tadeusz Lapinski, Zbyněk Sekal und Endre Tót hatten Auftritte im Griechenbeisl. „Besonders faszinierend ist die Tatsache, dass selbst in der Frühzeit der Galerie und trotz des Kalten Krieges hier der Gedanke eines systemübergreifenden Mitteleuropas gelebt wurde“, schrieb die Furche 1995, als die Grenzen längst offen waren.

Ich habe mehr Spaß daran gehabt, andere zu präsentieren.

Sturm der Entrüstung

Wie Christa Hauer es zuwege brachte, neben all dem noch ihre eigene Kunst zu schaffen, erscheint rätselhaft. Die Radikalität ihrer Malerei – einen Einblick in ihr Œuvre gibt aktuell die Kremser Galerie Kopriva – erkannten Kennerinnen und Kenner bald. So schrieb der einstige Albertina-Direktor Konrad Oberhuber, ihre Kunst sei „weniger leicht verständlich und radikaler als die ihres etwas jüngeren und viel anerkannteren Gatten“. Doch auch er erkannte die Crux: „Man wollte sie eher als Galeristin denn als Künstlerin sehen.“

Als sie die Galerie im Griechenbeisl betrieb, war Hauer offenbar selbst nicht aufgefallen, wie männerdominiert ihr eigenes Programm war. In Galerien und Museen, Konzerthäusern und Theatern kamen Frauen damals fast ausschließlich in zwei Rollen vor: als Objekte der künstlerischen Auseinandersetzung (in der Kunst oft als Aktgemälde) und als Betrachterinnen. Die der künstlerisch Schaffenden war für sie gesellschaftlich nicht vorgesehen. Das wurde Hauer so richtig bewusst, als im November 1974 vielen österreichischen Künstlerinnen ein Schreiben der Kulturministerin Hertha Firnberg ins Haus flatterte, das um Einreichungen für eine „Frauenausstellung“ bat. Grund zur Freude? Weit gefehlt. Das Ansinnen entfachte einen Sturm der Entrüstung: Die Kunstwerke sollten nicht in einer Kunstinstitution, sondern im Wiener Museum für Völkerkunde gezeigt werden. Zudem war die Zeit für die Vorbereitung mit nur drei Monaten viel zu kurz bemessen. Dass die Künstlerinnen auch noch die Transporte selbst bezahlen sollten, passte da bestens ins Bild, ebenso die Zusammensetzung der Auswahlkommission, bestehend ausschließlich aus älteren Herren. Unter diesen Voraussetzungen dachten viele Künstlerinnen gar nicht erst daran, Kunstwerke einzureichen.

Stattdessen formierte sich eine lose Gruppe, die scharf protestierte. Die Beteiligten gaben eine Pressekonferenz, die auf großes Echo in den Medien stieß, bei den Verantwortlichen allerdings nichts bewirkte. Deren Reaktionen waren teils misogyn. Museumsdirektor Wilhelm Mrazek, Mitglied der Kommission, äußerte sich abfällig: „Wir wollen da gar nicht genannt werden, sonst zerreißen uns die Damen. Das Mänadische liegt ja irgendwie im Wesen der Damen. Aber wir sind doch alle keine Weiberfeinde.“

Sturz des Patriarchats

1977 gründeten die „mänadischen Damen“ die Intakt – ein Akronym für „Internationale Aktionsgemeinschaft bildender Künstlerinnen“ – mit dem Ziel, die Situation von Künstlerinnen zu verbessern und aktiv am kulturpolitischen Geschehen teilzunehmen. Christa Hauer, älter als ihre Mitstreiterinnen, war so etwas wie deren Zentralgestirn. Sie stellte Ausstellungsräume in der Galerie im Griechenbeisl und einen Büroraum zur Verfügung. Auf Schloss Lengenfeld lud sie die Intakt-Frauen zu Festen, Gesprächen und Aktivitäten, um den Sturz des Patriarchats in der Kunstwelt zu planen.

Mit Schwung: Christa Hauer mit ihrem Mann Johannes Fruhmann, Galerie im Griechenbeisl

© Archiv Hauer-Fruhmann
© Archiv Hauer-Fruhmann

„Fröhlich und stark“

In einem Interview, das die Ausstellung zeigt, sagt Intakt-Mitgründerin Doris Reitter-Braun über Hauer: „Sie war ein Mensch mit sehr ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn – und einer Vision, wie diese Welt sein könnte. So hat sie auch gelebt.“ Ihre ehemalige Intakt-Kollegin Margot Pilz schildert sie als „intelligent, intellektuell, fröhlich und stark“. Reitter-Braun erzählt über abendliche Treffen: „Die Christa hat aus Lengenfeld Wein mitgebracht, und dann entstanden diese Dinge.“ Gemeinsam analysierten die Künstlerinnen ihre Situation – „und es wurde uns bewusster, wie sehr wir in einer maskulin dominierten Welt leben.“ Alexandra Schantl schildert es ähnlich: „In einem lockeren Rahmen entwickelten die Künstlerinnen Ideen.“ Wichtig war „die solidarische Aktion“.

Christa Hauers Stärke war es, Gemeinschaften zu schaffen und Biotope zu kreieren, in denen etwas entstehen kann. Und die Malerei? Darüber sagte sie einmal: „Ich male gerne. Wenn ich Zeit habe, gehe ich ganz darin auf, aber es war mir nie so wichtig, es an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich habe mehr Spaß daran gehabt, andere zu präsentieren.“ Die anderen über sich selbst zu stellen, das eigene Fortkommen für weniger wichtig zu halten: Das mag ein schöner Zug sein, doch allzu oft hindert genau das Frauen und Künstlerinnen daran, selbst durchzustarten. So bleibt Hauer als Malerin weiterhin zu entdecken – und als Feministin ein Vorbild für künftige Generationen. Dass die Kunst von Gleichstellung heute nicht nur weit entfernt ist, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen ein Backlash droht, hätte Hauer zutiefst empört. Mit welchen Sagern sie eine männerdominierte Kulturlandschaft und Trump’sche Sexismen kommentiert hätte? Darüber lässt sich nur spekulieren. ● ○