© Archiv Hauer-Fruhmann / Urheber:in unbekannt
© Archiv Hauer-Fruhmann / Urheber:in unbekannt

Christa Hauer

Strahlkraftbündel


Wer Christa Hauer (1925–2013) kannte, traute ihr zu, ihren 100. Geburtstag zu erleben. Ihre mitreißende Art, ihr sprühender Geist und ihr gesellschaftliches Engagement hielten sie – und ihre Umgebung – auf Trab. Als Malerin zeigte sie sich früh internationalen Strömungen verbunden, als Vermittlerin brachte sie mit ihrer Wiener Galerie im Griechenbeisl die Avantgarde auch jenseits des Eisernen Vorhangs nach Österreich, als Mitbegründerin der Internationalen Aktionsgemeinschaft bildender Künstlerinnen schrieb sie Geschichte und als Umweltaktivistin trieb sie schon in den 1980er-Jahren um, dass die planetaren Ressourcen nicht unendlich sind. In Krems feiern die Landesgalerie Niederösterreich sowie die Galerie Kopriva den 100. Geburtstag des Kraftbündels mit Ausstellungen. morgen schließt sich an: mit einem Special über Christa Hauer, die ebenso strahlte wie die Lichtkreise in ihren Bildern.

„Extrem menschliche Insel“: Christa Hauer (ganz rechts) bei einem ihrer legendären Feste auf Schloss Lengenfeld, 1975
„Extrem menschliche Insel“: Christa Hauer (ganz rechts) bei einem ihrer legendären Feste auf Schloss Lengenfeld, 1975

Zur Person

Zwei Herzen mit Humor


Mit Witz und Beharrlichkeit wirbelte Christa Hauer (1925–2013) die Kunstszene auf. Progressiv war sie nicht nur als Malerin, sondern auch als eine, die über geografische Grenzen blickte. Und ihr feministisches Engagement bleibt bis heute vorbildlich.

Eine Zigarette in der Hand, das Weinglas lachend erhoben, die überdimensionale Brille im Gesicht, das Haar über und über mit Margariten bepflanzt: So posiert Christa Hauer, gehüllt in eine folkloristische Bluse, im Laubengang von Schloss Lengenfeld bei Krems.

Das Foto entstand 1975, auf einer dieser legendären Partys, bei denen die Wiener Kunstszene auf die örtliche Bevölkerung traf. An einem Ort, der eine „extrem menschliche Insel“ war. So drückte es einmal Florian Reither, später Mitglied der Künstlergruppe Gelatin, aus. Er musste es wissen, war er doch schon als Kind häufig dort zu Gast.

Damals feierte Christa Hauer ihren 50. Geburtstag. Nach einem halben Jahrhundert blickte sie auf ein reiches Leben zurück. Wer sie kannte, erinnert sich an eine charismatische Persönlichkeit. Oft umspielte ein feines Lächeln ihren Mund, Gespräche mit ihr waren geprägt von ihrem leicht keckernden Lachen. Ihr Witz zeichnete Christa Hauer, verstorben 2013, bis ins hohe Alter aus. Einmal erzählte sie von ihren frühen Jahren in Chicago, von ihrem Mann Johann Fruhmann und ihrem Kater Papageno. Während sie die dortige Kunstszene erkundete, badete der Gemahl zu Hause in seinem Heimweh und in Smetanas „Moldau“: „Ich glaube, der Papageno hat nicht geweint, aber der Hansl.“ Ein anderes Mal konterte sie den Vorwurf, dass „Frauenausstellungen“ nervten, so: „Dabei gibt es doch dauernd Männerausstellungen, nur werden die nicht als solche bezeichnet.“

Humor konnte die gebürtige Wienerin brauchen. Wahrscheinlich schon während ihrer künstlerischen Ausbildung, die mitten in der NS-Zeit begann. Zunächst studierte sie bei Herbert Dimmel, einem strammen Nazi, später bei Carl Fahringer und Fritz Wotruba. Letzterer, eine Ikone der österreichischen Nachkriegskunst, ärgerte sich einmal über seine wenig inspirierten männlichen Studenten. Christa solle „die Burschen“ mit ihrem „dämonischen Blick“ anschauen, so seine Aufforderung. Diese Episode erzählt viel darüber, wie es einer jungen ambitionierten Künstlerin damals ging: Anstatt ihr künstlerisches Fortkommen zu fördern, drängte der Professor sie in die undankbare Rolle der Muse. Dabei war Hauer alles andere als das. Wie zeitgenössisch sie die Kunst dachte, zeigte sich in den Kämpfen mit ihrem Vater Leopold, einem konservativen Maler, der einst sogar an der NS-Propagandaschau „Große Deutsche Kunstausstellung“ teilnahm (siehe Artikel ab Seite 36). Schon früh fand die Malerin zur Abstraktion, als diese in Österreich noch Minderheitenprogramm war. Vor allem in den USA, wo sie von 1953 bis 1960 lebte, sog sie die neuen Eindrücke auf.

„Christa Hauer.
Künstlerin, Galeristin, Aktivistin“
(bis 1. Juni 2026)
Landesgalerie Niederösterreich,
Museumsplatz 1, 3500 Krems
an der Donau:
Dienstag bis Sonntag und Montag,
wenn Feiertag, 10 bis 18 Uhr (März bis Oktober),
10 bis 17 Uhr (November bis Februar)
kunstmeile.at

Christa Hauer, Selbstporträt, 1945 © Archiv Hauer-Fruhmann
Christa Hauer, Selbstporträt, 1945 © Archiv Hauer-Fruhmann

Ein reiches Leben

Die Kunsthistorikerin Alexan­dra Schantl, die in den Landessammlungen Niederösterreich die Kunst nach 1960 betreut, hat sich mit Christa Hauers Biografie und Werk eingehend befasst. Die von ihr kuratierte Ausstellung „Christa Hauer. Künstlerin. Aktivistin. Galeristin“ in der Landesgalerie Niederösterreich beleuchtet, 100 Jahre nach dem Geburtstag der Künstlerin, die Stationen eines reichen Lebens: die Wiener Galerie im Griechenbeisl, die Künstlerinnengruppe Intakt, ihre zahllosen Aktivitäten am Schloss Lengenfeld, wo sie sich für eine menschen- und umweltfreundliche Ortskerngestaltung stark machte, die Dorfgemeinschaft mit Kunst in Kontakt brachte. Schantl: „In Christa Hauers Brust schlugen zwei Herzen. Neben ihrer Kunst war ihr auch das Engagement für andere wichtig.“ Durch ihre USA-Aufenthalte habe sie entdeckt, dass die Kunst international schon viel weiter war als in Österreich. Die Künstlerin sei in ihren Tätigkeiten nicht nur „sehr vielfältig“ gewesen, sondern habe auch „ein Sensorium für die brennenden Themen ihrer Zeit“ gehabt, analysiert Schantl. Zurück aus Chicago, wo sie sich mit der Gestaltung von Weihnachtsbilletts über Wasser gehalten hatte, gründete Hauer bald gemeinsam mit Fruhmann die legendäre Wiener Galerie im Griechenbeisl. Wie es bei Eröffnungen dort abging, dokumentierte das Künstlerduo K. U. SCH. in einem Kurzfilm, der in der Landesgalerie ausgestellt ist: knackevolle Räume mit redenden, trinkenden, gestikulierenden, rauchenden, essenden und dazwischen immer wieder ein Tänzchen hinlegenden Gästen.

Die Galerie blickte über den Tellerrand, in Länder, die der Kunstbetrieb weitgehend ignorierte: jene, die auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs lagen. Künstler wie Imre Bak, Tadeusz Lapinski, Zbyněk Sekal und Endre Tót hatten Auftritte im Griechenbeisl. „Besonders faszinierend ist die Tatsache, dass selbst in der Frühzeit der Galerie und trotz des Kalten Krieges hier der Gedanke eines systemübergreifenden Mitteleuropas gelebt wurde“, schrieb die Furche 1995, als die Grenzen längst offen waren.

Ich habe mehr Spaß daran gehabt, andere zu präsentieren.

Sturm der Entrüstung

Wie Christa Hauer es zuwege brachte, neben all dem noch ihre eigene Kunst zu schaffen, erscheint rätselhaft. Die Radikalität ihrer Malerei – einen Einblick in ihr Œuvre gibt aktuell die Kremser Galerie Kopriva – erkannten Kennerinnen und Kenner bald. So schrieb der einstige Albertina-Direktor Konrad Oberhuber, ihre Kunst sei „weniger leicht verständlich und radikaler als die ihres etwas jüngeren und viel anerkannteren Gatten“. Doch auch er erkannte die Crux: „Man wollte sie eher als Galeristin denn als Künstlerin sehen.“

Als sie die Galerie im Griechenbeisl betrieb, war Hauer offenbar selbst nicht aufgefallen, wie männerdominiert ihr eigenes Programm war. In Galerien und Museen, Konzerthäusern und Theatern kamen Frauen damals fast ausschließlich in zwei Rollen vor: als Objekte der künstlerischen Auseinandersetzung (in der Kunst oft als Aktgemälde) und als Betrachterinnen. Die der künstlerisch Schaffenden war für sie gesellschaftlich nicht vorgesehen. Das wurde Hauer so richtig bewusst, als im November 1974 vielen österreichischen Künstlerinnen ein Schreiben der Kulturministerin Hertha Firnberg ins Haus flatterte, das um Einreichungen für eine „Frauenausstellung“ bat. Grund zur Freude? Weit gefehlt. Das Ansinnen entfachte einen Sturm der Entrüstung: Die Kunstwerke sollten nicht in einer Kunstinstitution, sondern im Wiener Museum für Völkerkunde gezeigt werden. Zudem war die Zeit für die Vorbereitung mit nur drei Monaten viel zu kurz bemessen. Dass die Künstlerinnen auch noch die Transporte selbst bezahlen sollten, passte da bestens ins Bild, ebenso die Zusammensetzung der Auswahlkommission, bestehend ausschließlich aus älteren Herren. Unter diesen Voraussetzungen dachten viele Künstlerinnen gar nicht erst daran, Kunstwerke einzureichen.

Stattdessen formierte sich eine lose Gruppe, die scharf protestierte. Die Beteiligten gaben eine Pressekonferenz, die auf großes Echo in den Medien stieß, bei den Verantwortlichen allerdings nichts bewirkte. Deren Reaktionen waren teils misogyn. Museumsdirektor Wilhelm Mrazek, Mitglied der Kommission, äußerte sich abfällig: „Wir wollen da gar nicht genannt werden, sonst zerreißen uns die Damen. Das Mänadische liegt ja irgendwie im Wesen der Damen. Aber wir sind doch alle keine Weiberfeinde.“

Sturz des Patriarchats

1977 gründeten die „mänadischen Damen“ die Intakt – ein Akronym für „Internationale Aktionsgemeinschaft bildender Künstlerinnen“ – mit dem Ziel, die Situation von Künstlerinnen zu verbessern und aktiv am kulturpolitischen Geschehen teilzunehmen. Christa Hauer, älter als ihre Mitstreiterinnen, war so etwas wie deren Zentralgestirn. Sie stellte Ausstellungsräume in der Galerie im Griechenbeisl und einen Büroraum zur Verfügung. Auf Schloss Lengenfeld lud sie die Intakt-Frauen zu Festen, Gesprächen und Aktivitäten, um den Sturz des Patriarchats in der Kunstwelt zu planen.

Mit Schwung: Christa Hauer mit ihrem Mann Johannes Fruhmann, Galerie im Griechenbeisl

© Archiv Hauer-Fruhmann
© Archiv Hauer-Fruhmann

„Fröhlich und stark“

In einem Interview, das die Ausstellung zeigt, sagt Intakt-Mitgründerin Doris Reitter-Braun über Hauer: „Sie war ein Mensch mit sehr ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn – und einer Vision, wie diese Welt sein könnte. So hat sie auch gelebt.“ Ihre ehemalige Intakt-Kollegin Margot Pilz schildert sie als „intelligent, intellektuell, fröhlich und stark“. Reitter-Braun erzählt über abendliche Treffen: „Die Christa hat aus Lengenfeld Wein mitgebracht, und dann entstanden diese Dinge.“ Gemeinsam analysierten die Künstlerinnen ihre Situation – „und es wurde uns bewusster, wie sehr wir in einer maskulin dominierten Welt leben.“ Alexandra Schantl schildert es ähnlich: „In einem lockeren Rahmen entwickelten die Künstlerinnen Ideen.“ Wichtig war „die solidarische Aktion“.

Christa Hauers Stärke war es, Gemeinschaften zu schaffen und Biotope zu kreieren, in denen etwas entstehen kann. Und die Malerei? Darüber sagte sie einmal: „Ich male gerne. Wenn ich Zeit habe, gehe ich ganz darin auf, aber es war mir nie so wichtig, es an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich habe mehr Spaß daran gehabt, andere zu präsentieren.“ Die anderen über sich selbst zu stellen, das eigene Fortkommen für weniger wichtig zu halten: Das mag ein schöner Zug sein, doch allzu oft hindert genau das Frauen und Künstlerinnen daran, selbst durchzustarten. So bleibt Hauer als Malerin weiterhin zu entdecken – und als Feministin ein Vorbild für künftige Generationen. Dass die Kunst von Gleichstellung heute nicht nur weit entfernt ist, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen ein Backlash droht, hätte Hauer zutiefst empört. Mit welchen Sagern sie eine männerdominierte Kulturlandschaft und Trump’sche Sexismen kommentiert hätte? Darüber lässt sich nur spekulieren. ● ○

Bildstrecke

Das Klima der Farbe


Informelle Abstraktionen, Lichtkreise und Zackenbilder: Mit ihrer Malerei gehörte Christa Hauer zur Nachkriegs-Avantgarde. Auf den nächsten Seiten geben wir einen Einblick in ihr facettenreiches Œuvre, in dem sie eine unverkennbare künstlerische Sprache entwickelte.

Familie Hauer, ca. 1910. Ganz links:  Leopold Hauer; sitzend in der Mitte: Franz Hauer © Privatsammlung
Familie Hauer, ca. 1910. Ganz links: Leopold Hauer; sitzend in der Mitte: Franz Hauer © Privatsammlung

Familie Hauer

Krügel für Kokoschka


Die Hauers zählten drei Generationen hinweg zu den treibenden Kräften des heimischen Kunstbetriebs. Eine Spurensuche zu Franz, Leopold, Christa – und deren Cousinen, die ihr künstlerisches Potenzial nicht entfalten konnten.

Der Ausdruck des bärtigen Mannes auf dem Porträt ist aufmerksam und versonnen zugleich: Egon Schiele zeichnete seinem Gönner Franz Hauer Denkerfalten wie Wellen auf die Stirn. Horizontale Linien gruben sich dem Sammler wohl auch in jenen besonderen Momenten ein, als er die Gedanken- und Formenwelt der jungen Künstler seiner Zeit zu erfassen versuchte.

Kofferträger

Schieles „Bildnis Franz Hauer“ entstand 1914, also im Sterbejahr Hauers. Eine der später gefertigten Kaltnadelradierungen des Porträts befindet sich heute im New Yorker Museum of Modern Art. Dass die Landessammlungen Niederösterreich die originale Bleistiftzeichnung besitzen, ist der Wiener Künstlerin, Galeristin und Sammlerin Christa Hauer zu verdanken: Die Enkelin des Dargestellten vermachte ihre umfangreiche Kollektion jenem Bundesland, in dem sie von 1970 bis zu ihrem Tod 2013 auf Schloss Lengenfeld nahe Krems lebte. So gelangten auch ein Aquarell Schieles von seiner Geliebten Wally sowie das Ölbild „Hofdame“ von Albin Eg­ger­-Lienz in die Landessammlungen Niederösterreich. Die Werke stammen aus der rund tausend Werke umfassenden Sammlung, die der Gastwirt Franz Hauer hinterlassen hat. Dabei brachte der Sohn aus einer armen Wachauer Familie keinerlei Voraussetzungen für ein solches Engagement mit: Als eines von 14 Kindern lernte er Fleischhauer und schleppte später in Hotels die Koffer.

Schmerzlicher Verlust

Die entscheidende Wende nahm Hauers Leben, als er mit 27 in das Wiener Griechenbeisl seines Schwagers einstieg. Das 1897 zur Gänze übernommene Wirtshaus entwickelte sich unter seiner Ägide prächtig. Dank der unzähligen Krügel Pilsner Urquell, die dort über die Schank gingen, konnte die Familie eine Währinger Villa beziehen. In diesem Ambiente entdeckte der Gastronom, dass ihm die vielen weißen Wände besser gefielen, wenn Bilder darauf hingen. Später legte der „Kunstenthusiast originellster Art“, wie der Maler Carl Moll ihn lobte, sogar eine Privatgalerie an. Dort präsentierte er die umfangreichen Bestände von Schiele, Oskar Kokoschka, Albin Egger-Lienz, Anton Faistauer und anderen. Nach seinem Tod zerstreute sich jedoch ein Großteil seiner Sammlung; die meisten Werke daraus kamen im März 1918 im Wiener Dorotheum zum Aufruf.

Die Ausstellung „Franz Hauer. Selfmademan und Kunstsammler der Gegenwart“ in der Landesgalerie Niederösterreich zeichnete 2019 dessen Werdegang nach. Wichtige Vorarbeit hatte bereits die Schau „Künstler (Sammler) Mäzene“ in der Kunsthalle Krems geleistet, die 1996 ein erstes Porträt dreier Hauer-Generationen lieferte. Im Begleitbuch schildert Christa Hauer, wie sehr sie und ihr Vater Leopold der Verlust der vielen Werke schmerzte: „Natürlich haben wir uns immer gewundert, gekränkt und geärgert, dass diese jetzt so kostbaren Bilder von Schiele, Kokoschka und Egger-Lienz und vielen anderen in der schlechtesten Nachkriegszeit verkauft worden sind und sich das ganze Vermögen in so gut wie nichts aufgelöst hat.“

Er ist ein Kunstenthusiast originellster Art.

Clash vorprogrammiert

Auch wenn dieser Reichtum verflossen war, das Feuer der Kunstbegeisterung gab Franz Hauer an seine Nachkommen weiter. In seiner „Selbstbiografie“ schildert sein 1896 geborener Sohn Leopold, wie ihn einst in einer Sommernacht „der unbändige Wunsch, Maler zu werden“ überkam. Nach dem Kriegsdienst inskribierte er 1918 an der Akademie der bildenden Künste und verbrachte während der Studienzeit auch einen Sommer im Ötztal bei Albin Egger-Lienz. Der Tiroler Maler hatte maßgeblichen Einfluss auf Leopolds farblich gedeckte Landschaftsmalerei. Leopold reiste leidenschaftlich gern und fand viele seiner Motive im Süden; die moderne Kunst lehnte er jedoch ab. Zu den weniger bekannten Tatsachen aus seinem Leben gehört, dass Hauer drei Mal in der Großen Deutschen Kunstausstellung (GDK), die das NS-Regime alljährlich im Münchner Haus der Kunst veranstaltete, vertreten war. 1941 kaufte Adolf Hitler daraus sein Bild „Schwere Erde“ an.

Über Hauers Tätigkeit während der NS-Zeit ist, abgesehen von der GDK-Teilnahme, wenig bekannt. Doch dass sein Kunstbegriff damals ins Bild passte, ist offensichtlich. So war der Clash vorprogrammiert, als sich seine 1925 geborene Tochter Christa bei ihren langen USA-Aufenthalten der Abstraktion zuwandte. In einem Interview schilderte die Künstlerin „ständige verbale Auseinandersetzungen“ mit ihrem Vater, aber auch seine große Unterstützung nach ihrer Rückkehr aus Amerika. 1960 ermöglichte er Christa und ihrem Mann, dem Künstler Johann Fruhmann, in den leerstehenden Räumen des Griechenbeisls eine Galerie zu gründen. Das zeigt, dass Leopold Hauer in seinem kulturellen Engagement viel fortschrittlicher war als in seinem eigenen Kunstschaffen, ebenso wie die Idee des Cineasten, im chronisch unterfinanzierten Künstlerhaus 1949 ein Kino zu gründen. In Kooperation mit dem Verleiher Jean Voulouzan wurde es zu einer Keimzelle heimischer Filmkultur. Mitte der 1960er-Jahre übersiedelte Hauer nach Droß bei Krems, in den Heimatort seiner Mutter; 1970 erwarb er für seine Tochter von den österreichischen Bundesforsten das nahegelegene Schloss Lengenfeld – Kaufpreis: ein Bild von Albin Egger-Lienz und eine Schiele-Zeichnung. Franz Hauers Erbe legte also den Grundstein für das Zentrum zeitgenössischer Kunst, in das Christa und ihr Mann das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert verwandelten.

Egon Schiele:

„Franz Hauer“, 1914

© Landessammlungen Niederösterreich
© Landessammlungen Niederösterreich

Talentierte Cousinen

Die Sammellust von Franz Hauer schlug auch bei Leopold durch: Er pflegte eine Vorliebe für alte Holzskulpturen wie die „Sitzende Madonna“, die später in die Landessammlungen Niederösterreich einging. Seine Tochter erwarb als Galeristin Werke von heute berühmten Künstlerinnen und Künstlern wie Maria Lassnig, Christian Ludwig Attersee oder Martha Jungwirth, die seinerzeit schwer Absatz fanden, mittlerweile jedoch am Markt hohe Preise erzielen würden. Im Griechenbeisl stellte das Ehepaar Hauer mehrfach gemeinsam aus, wobei Fruhmanns Kunst mehr Anerkennung erntete. Als ein Pionier der abstrakten Malerei hierzulande, entwickelte der 1928 geborene Kärntner ein Bildvokabular farbstarker Bogenformen.

Zum Hauer-Clan zählten auch, was kaum bekannt ist, zwei künstlerisch tätige Cousinen von Christa. Ihr Schaffen zeigte die engagierte Vorkämpferin für Frauen in der Kunst in ihrer Intakt-Galerie 1986. Die tiefere persönliche Beziehung verband sie mit Jean Enez. 1920 in der Tschechoslowakei geboren und in den USA aufgewachsen, kam diese im Alter von zehn für vier Jahre nach Wien. Das talentierte und weltgewandte Mädchen faszinierte Christa und inspirierte sie, ebenfalls zu zeichnen. „Ein exotischer Vogel“, der Österreich 1936 gen Japan verließ. Später verglich Christa Hauer Enez’ mystische Bildwelten von 1951/52 mit den frühen Zeichnungen der phantastischen Realisten Ernst Fuchs und Rudolf Hausner.

Wir versuchen, etwas in der Kunstszene zu bewirken.

Jung verstorben

Vom künstlerischen Werk ihrer mit nur 24 Jahren verstorbenen Cousine Magda Hauer (1925–1949) erfuhr die Griechenbeisl-Galeristin erst in den 1960er-Jahren. Am Telefon fragte eine Fremde an, ob sie sich für Gemälde und Zeichnungen interessiere, die ein Nachbar hinterlassen hatte. Groß war die Überraschung, dass die in Mappen und Schachteln verstauten Bilder von Magda stammten. Auf eine kleine Ausstellung dieser figurativen Malereien reagierte die Kunstkritik positiv. Der Tenor: Aus der Künstlerin hätte viel werden können, wäre sie nicht so jung verstorben.

Die Hauers zählten über drei Generationen hinweg zu den treibenden Kräften des heimischen Kunstbetriebs. Wie Christa in einem Interview 1996 treffend bemerkte: „Es liegt offenbar in unserer Familie, dass wir über unsere eigene Tätigkeit hinaus versuchen, etwas in der Kulturszene zu bewirken.“ Die Hauers hätten für die Kunst gelebt, und ihr Interesse daran „sehr unspekulativ und wirklich nur aus der Begeisterung heraus betrieben“. Ein weitergereichtes Feuer, das bis heute wärmt. ● ○