Standpunkte

Prominente Eltern: Belastung oder Vorteil?


In jeder Ausgabe stellt morgen drei Menschen, die sich auskennen, eine Frage. Diesmal:

Liebenswerte Bubble

Marion Benda

Könnte ich es mir aussuchen, hätte ich lieber keine prominenten Eltern. Sie können es noch so gut mit einem meinen: Ein Kind will seine Eltern immer stolz machen und so sein wie sie – und das erzeugt Druck.

In Österreich haben es Promikinder aber sehr gut. Wir leben in einer liebenswerten Bubble, wo Rücksicht auf die Privatsphäre genommen wird. Journalisten und Fotografen wissen, welche Promis ihre Kinder nicht vor der Kamera zeigen wollen und respektieren das. Ich habe zum Beispiel noch nie die Tochter der Grassers gesehen, während es von den Eltern genug Paparazzi-Fotos gibt.

In den USA oder England ist das ganz anders. Von Prince Harry hat man jeden Blödsinn am Titelblatt der Sun gelesen. Jeder kennt auch das Gesicht von Arnold Schwarzeneggers unehelichem Sohn. Wenn dich jeder kennt, kannst du nichts mehr unbeobachtet tun. Wer will so aufwachsen und sich als Teenager nicht ausleben können? Als Pech stelle ich mir vor, in die Familie Kardashian hineingeboren zu werden, die ihr ganzes Leben filmt. Keine der Töchter hat eine Chance, halbwegs normal ins Leben zu starten.

Heute gibt es keine klassischen Paparazzi mehr. Dank Social Media ist jeder sein eigener Paparazzo. Und jeder glaubt, das Recht zu haben, mit dem Handy Fotos von anderen zu machen. Sogar bei uns gibt es Feiern, bei denen die Handys abgegeben werden müssen, um sicherzustellen, dass niemand ein blödes Foto postet. Wäre ich prominent, ich würde es genauso machen.

Die ORF-Reporterin Marion Benda ist seit vielen Jahren Society-Berichterstatterin und „Seitenblicke“-Redakteurin. Zuvor war sie unter anderem stellvertretende Ö3-Musikchefin, moderierte die Sendung „Hi Society“ auf ATV und saß in der „Starmania“-Jury. 2024 moderierte sie erstmals den Opernball.

@ ORF / Klaus Titzer
@ ORF / Klaus Titzer

Ringen um Perfektion

Hanne Egghardt

In Künstlerfamilien geht es selten gemütlich, geregelt und geordnet zu. Kreativität und Genie gedeihen schlecht auf dem Humus bürgerlicher Normalität. Wer auf der Bühne, im Konzertsaal oder im Atelier Tag für Tag gefordert ist, sein Bestes zu geben, lebt in Anspannung. Ein Maler im Flow kann nicht um acht Uhr aufhören, um die Kinder ins Bett zu bringen.

Söhne und Töchter, die in der knisternden Atmosphäre einer Künstlerfamilie aufwachsen, nehmen die Achterbahn der Gefühle, das Ringen um Perfektion, das gelegentliche Scheitern, aber auch die ersehnten Erfolge mit der Muttermilch auf. Sie wissen, dass man sich auf Zehenspitzen bewegen muss, wenn der Vater Text lernt, begreifen Musik früh als Lebenselixier oder werden als kleine Ballettratten süchtig danach, vor Publikum zu tanzen.

Oft stehen sie im Schatten ihrer Eltern und müssen sich umso mehr behaupten. Johann Strauss Vater wollte etwa nicht, dass sein Sohn ins Musik-Business einsteigt – vielleicht weil er glaubte, er könnte ihn übertrumpfen, oder weil er die Schattenseiten des Berufs kannte. Tatsächlich hat sich später auch Johann Strauss Sohn wie sein Vater bis zur Erschöpfung verausgabt.

Ob es einfach ist, als Kind von Künstlern in die Fußstapfen der Eltern zu treten? Ein Freund, der aus einer Schauspielerfamilie stammt, antwortete mir auf die Frage, wie es ihm damit ergangen sei, spontan: „Da wirst’ zum Alkoholiker.“ Ja, das kann passieren – muss es aber nicht.


Die Journalistin und Autorin Hanne Egghardt schrieb zahlreiche Bücher, darunter eines über die Strauss-Dynastie. Sie studierte Germanistik und Türkisch, arbeitete journalistisch für die Kleine Zeitung sowie Geo und war Chefredakteurin der Wienerin und des AUA-Bordmagazins Skylines.

© Nina Schedlmayer
© Nina Schedlmayer

Familiengeschichte kann belasten

Ralph Sichler

Ob es für Kinder eher eine Belastung oder ein Vorteil ist, prominente Eltern zu haben, hängt vor allem von den Stressoren und den vorhandenen Ressourcen ab. Stressoren können etwa Shitstorms oder belastende Presse sein, Neid von Mitschülern, aber auch häufige Umzüge oder prekäre Arbeitsverhältnisse der Eltern, wenn diese etwa kein festes Engagement haben und nicht genau wissen, wann sie wieder einen Auftrag bekommen.

Auch die Familiengeschichte kann belasten: Das zeigt sich bei den Nazi-Verstrickungen der Hörbiger-Familie. Aber selbst, wenn diese Kinder viele Stressoren haben, bedeutet das nicht automatisch ein hohes Leidensausmaß. Entscheidend sind dann nämlich gemeinsam geteilte Ressourcen wie Zeit, Unterstützung und Offenheit. Wenn die Eltern sich etwa Zeit nehmen, um mit ihren Kindern altersgerecht über herausfordernde Situationen zu sprechen, kann das deren Entwicklung sogar befördern.

Natürlich kann es auch von Vorteil sein, das Kind prominenter Eltern zu sein: Als solches lernt man ja meist intensiv und sehr persönlich einen bestimmten Ausschnitt der Welt kennen, zu dem Gleichaltrige häufig keinen Zugang haben. In einer Familie von Schauspielerinnen und Schauspielern zum Beispiel kann ein Kind selbst die Theaterwelt kennenlernen und eine Rolle ausprobieren – und so früh für sich klären, ob ihm der Beruf vielleicht zusagt. Und vermutlich wird es einem in einer solchen Familie nicht so schnell langweilig.


Der Psychologe Ralph Sichler ist Professor für Grundlagen der Psychologie an der Bertha von Suttner Privatuniversität in St. Pölten. Er publizierte unter anderem das Buch „Autonomie in der Arbeitswelt“ und ist im Editorial Board der Zeitschriften Cultura & Psyché sowie Journal für Psychologie.

© beigestellt
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