Eine Schauspielerin, ihr literarisch ambitionierter Sohn, der ebenso schriftstellernde Geliebte sowie eine junge Kollegin: Diese Figuren geraten in Anton Tschechows „Die Möwe“, 2022 bei den Festspielen Reichenau aufgeführt, in einen zerstörerischen Sog aus Neid, Eifersucht und Selbstaufgabe. Das Negativbild einer Künstlerfamilie.
Im Gegensatz dazu widmet sich unser neues morgen fruchtbaren kreativen Beziehungen zwischen Eltern, Kindern und Geschwistern. Wer in einer künstlerisch tätigen Familie aufwächst, bekommt Wissen, Netzwerke und Gespür frei Haus geliefert. Künstlerkinder wundern sich oft darüber, warum bei ihren Schulfreundinnen und Schulfreunden daheim nicht musiziert oder gemalt wird. In unserem Round Table mit Schauspielerin Marthe Lola Deutschmann, Geiger und Kulturmanager Vahid Khadem-Missagh sowie Künstlerin Deborah Sengl stellt sich freilich heraus, dass Eltern auf die künstlerischen Ambitionen ihres Nachwuchs nicht immer mit Begeisterungsstürmen reagieren. Sengl erzählte etwa, dass ihre Mutter ihrem Wunsch, Künstlerin zu werden, zunächst eher reserviert gegenüberstand: „Es ist ja kein einfacher, oft brotloser Beruf“ (ab Seite 10). Doch wenn es klappt, begleiten Eltern und bisweilen auch Geschwister eng den Weg. Kontroversen, die in Familien mit starken Charakteren zwangsläufig auftauchen, können sie dabei überwinden und integrieren.
Eine besondere Familie waren die Hauers: Großvater Franz ein leidenschaftlicher Kunstsammler, Vater Leopold ein Maler, ebenso wie seine Tochter Christa, die auch als engagierte Streiterin für die Kunst in Erinnerung blieb. Dass auch hier die Harmonie nicht immer perfekt war, schildert meine Kollegin Nicole Scheyerer in ihrem Porträt der Familie. Sie finden es in unserem Special zu Christa Hauer, die heuer ihren 100. Geburtstag feiern würde. Viel Freude beim Lesen des neuen morgen. ● ○
Herzlichst
Ihre Nina Schedlmayer