Der Ausdruck des bärtigen Mannes auf dem Porträt ist aufmerksam und versonnen zugleich: Egon Schiele zeichnete seinem Gönner Franz Hauer Denkerfalten wie Wellen auf die Stirn. Horizontale Linien gruben sich dem Sammler wohl auch in jenen besonderen Momenten ein, als er die Gedanken- und Formenwelt der jungen Künstler seiner Zeit zu erfassen versuchte.
Kofferträger
Schieles „Bildnis Franz Hauer“ entstand 1914, also im Sterbejahr Hauers. Eine der später gefertigten Kaltnadelradierungen des Porträts befindet sich heute im New Yorker Museum of Modern Art. Dass die Landessammlungen Niederösterreich die originale Bleistiftzeichnung besitzen, ist der Wiener Künstlerin, Galeristin und Sammlerin Christa Hauer zu verdanken: Die Enkelin des Dargestellten vermachte ihre umfangreiche Kollektion jenem Bundesland, in dem sie von 1970 bis zu ihrem Tod 2013 auf Schloss Lengenfeld nahe Krems lebte. So gelangten auch ein Aquarell Schieles von seiner Geliebten Wally sowie das Ölbild „Hofdame“ von Albin Egger-Lienz in die Landessammlungen Niederösterreich. Die Werke stammen aus der rund tausend Werke umfassenden Sammlung, die der Gastwirt Franz Hauer hinterlassen hat. Dabei brachte der Sohn aus einer armen Wachauer Familie keinerlei Voraussetzungen für ein solches Engagement mit: Als eines von 14 Kindern lernte er Fleischhauer und schleppte später in Hotels die Koffer.
Schmerzlicher Verlust
Die entscheidende Wende nahm Hauers Leben, als er mit 27 in das Wiener Griechenbeisl seines Schwagers einstieg. Das 1897 zur Gänze übernommene Wirtshaus entwickelte sich unter seiner Ägide prächtig. Dank der unzähligen Krügel Pilsner Urquell, die dort über die Schank gingen, konnte die Familie eine Währinger Villa beziehen. In diesem Ambiente entdeckte der Gastronom, dass ihm die vielen weißen Wände besser gefielen, wenn Bilder darauf hingen. Später legte der „Kunstenthusiast originellster Art“, wie der Maler Carl Moll ihn lobte, sogar eine Privatgalerie an. Dort präsentierte er die umfangreichen Bestände von Schiele, Oskar Kokoschka, Albin Egger-Lienz, Anton Faistauer und anderen. Nach seinem Tod zerstreute sich jedoch ein Großteil seiner Sammlung; die meisten Werke daraus kamen im März 1918 im Wiener Dorotheum zum Aufruf.
Die Ausstellung „Franz Hauer. Selfmademan und Kunstsammler der Gegenwart“ in der Landesgalerie Niederösterreich zeichnete 2019 dessen Werdegang nach. Wichtige Vorarbeit hatte bereits die Schau „Künstler (Sammler) Mäzene“ in der Kunsthalle Krems geleistet, die 1996 ein erstes Porträt dreier Hauer-Generationen lieferte. Im Begleitbuch schildert Christa Hauer, wie sehr sie und ihr Vater Leopold der Verlust der vielen Werke schmerzte: „Natürlich haben wir uns immer gewundert, gekränkt und geärgert, dass diese jetzt so kostbaren Bilder von Schiele, Kokoschka und Egger-Lienz und vielen anderen in der schlechtesten Nachkriegszeit verkauft worden sind und sich das ganze Vermögen in so gut wie nichts aufgelöst hat.“