Kunst und Natur:  Studio X2732, Höflein © Clemens Schmiedbauer
Kunst und Natur: Studio X2732, Höflein © Clemens Schmiedbauer

Kultur • Koneff-Kosmatschof-Veech

Dynamiken einer Dynastie


Mutter, Vater, Tochter, Schwiegersohn – und mittlerweile auch die Enkelkinder: Die russisch-amerikanisch-österreichische Familie Koneff-Kosmatschof-Veech verfügt über künstlerische Energien, die bisweilen auseinanderdriften. Doch dann bündelt man die Kräfte und präsentiert deren Ergebnis. Zum Beispiel im Studio X2732 an der Hohen Wand.

Die Dynamiken, die eine Künstlerfamilie freisetzen kann, offenbaren sich in einem coolen Beton-Glas-Kubus vor imposanter Naturkulisse: In Höflein an der Hohen Wand präsentiert das Architektenpaar Mascha Veech-Kosmatschof und Stuart A. Veech seit Juni die Ausstellung „Grenzgänger: Elena Koneff, Vadim Kosmatschof, Stuart Veech“. Ort des Geschehens ist das Studio X2732, der Name spielt auf die Postleitzahl des kleinen Ortes an.

Die beiden planten das in zehn Monaten errichtete Gebäude in minimalistischer Formensprache mit Bedacht auf maximale Effizienz und Funktionalität. Eine großzügige Glasfläche erlaubt den Blick auf die Landschaft, natürliches Licht durchflutet den Raum, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach bietet eine nachhaltige Energiequelle. Das zeigt sich beim Besuch von morgen in dem 2024 eröffneten Space. Die Familie empfängt ihr Publikum an einem Wochenende im Mai: Da lädt ein Ausflug in mehrere Kunsträume im Schneebergland. In den großzügigen Hallen herrscht ein Kommen und Gehen.

Steiniger Weg

In der Ausstellung versammelte Angela Stief, Direktorin der Wiener Albertina Modern, Werke von Mascha Veechs Eltern Elena Koneff und Vadim Kosmatschof sowie von deren Ehemann Stuart Veech. So offenbart sich ein generationenübergreifendes energetisches Feld, das mittlerweile bis zu den Enkelkindern reicht: Diese arbeiten im Büro Veech x Veech in jeweils eigenen Sparten mit.

Koneff und Kosmatschof erfuhren ihre künstlerische Ausbildung in den 1950er- und 1960er-Jahren in Moskau, als in der UdSSR nach Stalins Tod das sogenannte „Tauwetter“ einsetzte. Die beiden lernten sich bereits im Alter von zwölf Jahren am Kunstgymnasium kennen und heirateten mit 20 Jahren. Noch heute stellt Kosmatschof seine Ehefrau als „Mitschülerin“ vor. Trotz enger Verbundenheit gingen sie ihren jeweils eigenständigen Weg – einen in ihrer ersten Heimat steinigen. Kosmatschof fiel schon während des Studiums auf, weil er entgegen den offiziellen Vorstellungen statt einer mathematischen Größe den Menschen als Maß seiner Plastiken festsetzte.

We are family: Philip und Mascha Veech, Elena Koneff, Stuart Veech, Vadim Kosmatschof (von links nach rechts)

© Clemens Schmiedbauer
© Clemens Schmiedbauer

Konflikt mit Regime

Der Geist der russischen Avantgarde lebt bis heute in seinen oft monumentalen und beweglichen Skulpturen weiter: zukunftsgerichtet mit emphatischer Begeisterung für die Entwicklung neuer Technologien und dem Ziel einer gesellschaftlichen Wirkung durch die Positionierung im öffentlichen Raum. 1976 schuf er, wie in der Ausstellung zu sehen ist, kinetische Wasserskulpturen aus Industrieporzellan und Messing. Koneff dagegen experimentierte mit textiler Kunst und führte die Technik des Webens in neue künstlerische Dimensionen, begriff sie in einem bildhauerischen Sinn. Ihre großformatigen Gobelins, abstrakte Kompositionen in eigenwilligen Formatierungen und feinsinnigen Farbschattierungen, besetzen als Wandreliefs mit autonomer Energie den Raum.

Der Erfolg des Paares in der Kunstszene Moskaus änderte nichts daran, dass es aufgrund seiner politischen und ästhetischen Unangepasstheit in Konflikt mit dem Regime geriet. Nach der Überwindung behördlicher Widrigkeiten gelang den beiden 1979 die Ausreise nach Wien. Mit dabei: ihre 15-jährige Tochter Mascha. Die Eltern unterrichteten sie künstlerisch, mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten – die Mutter in der Malerei, der Vater in der Zeichnung. Wie sie im Gespräch mit morgen erzählt, entschied sich Kosmatschof junior für den künstlerischen „Universalberuf“ der Architektin, studierte an der Hochschule für angewandte Kunst bei Wilhelm Holzbauer und anschließend an der Architectural Association in London, wo sie den aus Chicago stammenden Stuart Veech kennenlernte. 1991 diplomierte sie an der Angewandten bei Stararchitektin Zaha Hadid, wurde später dort Assistenzprofessorin. 1993 gründete sie mit Stuart Veech ein multidisziplinäres Studio, das Architektur, Neue Medien und Digital Design vereint und seit 2014 den Namen Veech x Veech trägt. Mittlerweile sind sogar ihre drei Kinder an Bord: Philip Veech ist für Visual Design und Kommunikation zuständig, sein Bruder Nicholas für Digital Design, ihre Schwester Nina für Fotografie und Film. Eines der Projekte des nunmehrigen Familienbetriebs dürfte den meisten Menschen in Österreich bekannt sein: Einst konzipierte Stuart Veech das Erscheinungsbild der ORF-Nachrichtenstudios, wie es sich bis zu dessen Relaunch 2023 darstellte.

© Clemens Schmiedbauer
© Clemens Schmiedbauer

In einem konservativen Umfeld aufgewachsen, sei er schon als junger Mensch mit Vorliebe „gegen den Strom geschwommen“, wie er sagt, habe versucht, die Grenzen zwischen einzelnen Fachgebieten zu überschreiten. 1989 ging er nach Deutschland und arbeitete in der Werkstatt seiner künftigen Schwiegereltern mit, die damals in Rheinland-Pfalz lebten. Vadim Kosmatschof erinnert sich an die Zusammenarbeit mit dem jungen Mann so: „Er war nicht nur eine Assistenz, er gab mir in Diskussionen auch Mut für weitere Projekte.“ Als sein Gehilfe Interesse an einer Ehe mit Tochter Mascha bekundete, freute er sich: „Wir werden viele große Skulpturen gemeinsam machen!“ Genau so kam es.

Das Prozesshafte ist ein wesentlicher Moment im ganzen Geschehen.

Taktiles Sehen

Stuart Veech lernte durch die Arbeiten der Schwiegermutter mehr über „die Feinheit von Struktur, die plastische Abstraktion, die Behandlung der Oberfläche als Raum – also taktiles Sehen“, wie er sich erinnert. In den Werken von Kosmatschof sah er Kraft und Bewegung verkörpert: „Sein Umgang mit Skulptur als einem Organismus, der atmet, wächst und reagiert, prägte mein Verständnis von Raum und Materie.“ Darauf fußt die von Stuart und Mascha Veech entwickelte „atmende Architektur“, die auch mit pneumatischen Installationen arbeitet. Der Einfluss der Schwiegereltern lässt sich zudem in Stuart Veechs aktuellen modularen, abstrakt-geometrischen Objekten nachvollziehen. Es sind Minimalflächen aus schwarzen synthetischen Membranen, die er wie eine opake Haut über eine Konstruktion spannt. Die Körperlichkeit der reduzierten Form entsteht und wandelt sich durch den Lichteinfall.

Doch die Kollaboration ist keine Einbahnstraße: So unterstützten Veech x Veech die Entwicklung und Umsetzung von Kosmatschofs Skulptur „Unfolding Square“ (2017), einer großen Konstruktion aus Stahl und Aluminium in Form eines massiven Quadrats, die sich kontinuierlich entfaltet und wieder zusammenzieht, angetrieben von der Energie der Photovoltaikanlage.

© Clemens Schmiedbauer
© Clemens Schmiedbauer

Feiern und lachen

Wie schon das Moskauer Zuhause von Koneff und Kosmatschof ein Treffpunkt war, an dem die Künstlerinnen und Künstler verschiedener Disziplinen feierten und lachten, speisten und diskutierten, so soll auch das Studio X2732 ein Ort des interdisziplinären Austauschs sein. Am Konzept sind alle Familienmitglieder beteiligt. „Das Prozesshafte ist ein wesentlicher Moment im ganzen Geschehen“, sagt Mascha Veech. Die Impulse kommen oft von der im Gespräch eher zurückhaltenden Koneff. Veech charakterisiert ihre Eltern so: „Meine Mutter gleicht einer Moira, die im Stillen die Fäden des Schicksals zusammenführt. Sie spricht nicht viel, aber wenn, dann mit solcher Klarheit, dass alle inne­halten. In ihr vereinen sich tiefe Weisheit und beeindruckende Standhaftigkeit. Mein Vater dagegen verfügt über ein beinahe enzyklopädisches kunstgeschichtliches Wissen – und einen entwaffnenden Humor.“ Die Leidenschaft, gemeinsam etwas zu schaffen, aber auch kontrovers zu debattieren, die Lust am Experiment und am Diskurs bestimmen die Dynamik der Zusammenarbeit. Merkmale, die auch die russische Avantgarde auszeichnen, ein Spirit, den ihre Eltern aufnahmen und an ihre Tochter weitergaben. Er werde getragen von Risikobereitschaft, gegenseitiger Wertschätzung, Vertrauen und Respekt vor den sehr individuellen Talenten und Charakteren der anderen Familienmitglieder. So sieht es jedenfalls Mascha Veech. Die mitunter auseinanderdriftenden Energien der einzelnen Familienmitglieder weiß sie zu bündeln – um die Kraft auf gemeinsame Ziele zu richten. ● ○

Die Ausstellung „Grenzgänger. Elena Koneff, Vadim Kosmatschof, Stuart Veech“ läuft bis 30. September 2025.

Besichtigung nach Vereinbarung unter 0664 / 18 08 203 oder [email protected]