Irene Künzel arbeitet zehn Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Wenn sie – was selten vorkommt – Sonntagvormittag doch einmal entspannt, ein gutes Buch liest oder vor dem Fernseher sitzt, spürt sie spätestens gegen Mittag ein Kribbeln. Tief unten im Bauch. Dann treibt es sie vom Sofa zum Schreibtisch. Am Laptop ploppen im Minutentakt neue Mailnachrichten auf.
Irene Künzel ist 60 Jahre alt. Sie hat vier Kinder, einen grauen Wuschelkopf und blaue Augen, die strahlen. Ihre Lesebrille schiebt sie ins Haar, und sie spricht schnell. Einfach, um die Dinge, die sie sagen will, möglichst effizient loszuwerden. Das Organisieren, Planen, Verhandeln und Kosten-Abrechnen, das stundenlange Kopfzerbrechen über Schwierigkeiten, die sie tagtäglich aus dem Weg räumt, macht sie freiwillig. Ehrenamtlich. So wie Tausende andere Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher, die sich gemeinsam in der Kulturarbeit engagieren. In mehr als 1.000 Vereinen, die manchmal ein Drei-Mann-Betrieb sind, der ganz ohne Förderung auskommt und manchmal ein großes Konstrukt, das rund 140 Veranstaltungen im Jahr organisiert und dabei 450.000 Euro Umsatz macht. So wie die Kulturszene Kottingbrunn, deren Obfrau Irene Künzel ist, die – wie viele andere Ehrenamtliche – auf die Frage: „Warum macht ihr das eigentlich?“ keine eindeutige Antwort hat.
Abseits der großen Kulturbetriebe wie dem St. Pöltner Festspielhaus, der Kunsthalle Krems und dem Landestheater erfüllen kleine Kulturvereine eine wichtige Nahversorgerfunktion: Wer nicht ins Auto steigen will, um Puccini zu hören, geht ins nahe gelegene Vereinszentrum. Wer über Josef Hader live lachen will, auch. Und wer nicht gern in den Anzug schlüpft, um Shakespeare zu sehen, kommt in Jeans zur Vorführung.