Kolumne

Alle lachen. Noch.


Im letzten Sommer saß ich mit Freunden im Garten um die Feuerschale. Wir legten Fleisch auf den Rost, plauderten und genossen den Duft der Koteletts und Würstchen. Plötzlich ging das Licht im ganzen Haus und Hof aus – nur die Glut leuchtete in die Finsternis. Wir suchten mit Taschenlampen nach der Ursache, fanden aber keine.

Das bisschen Dunkelheit konnte uns die Laune nicht verderben. Im Gegenteil. Wir lachten darüber, denn morgen wird der Elektriker kommen und die Sache in Ordnung bringen. Wir rückten näher zusammen, das gleißende Feuer wärmte uns. Wir genossen die Romantik, die uns die funkelnden Sterne am Firmament bescherten, und machten uns lustig über den plötzlichen Blackout. Angeregt sprachen wir darüber, was wäre, wenn.

Was würde im Ernstfall wirklich passieren, wenn Gas und Strom für mehrere Tage oder sogar Wochen abgeschaltet wären? Würde es dazu kommen, dass wir unser Essen am offenen Feuer oder Campingkocher zubereiten müssen? Dass wir unsere Räume nur mit Kerzen oder Petroleumlampen ausleuchten und uns an Holzöfen, falls vorhanden, wärmen werden? Wie viele Menschen würden krank werden, wie viele Menschen – vor allem die, die auf der Straße leben – würden die Kälte nicht überleben? Und wie ginge es mit Kranken weiter, die an medizinische Geräte angeschlossen und deren Körperfunktionen vom Strom abhängig sind?

Und vor allem: Würde die Umwelt davon profitieren, wenn wir weniger Energie verbrauchen?

Es vergeht kein Tag, an dem in den Medien nicht vom Sparen gesprochen wird, vom Gürtel- enger-Schnallen, davon, dass jeder einzelne Bürger die Ver- antwortung für das weltweite Klima und die Verwendung und Verschwendung der Energieressourcen mitträgt. Das Heizen verursacht unerwünschte Emissionen, die dem Planeten schaden, hören wir, die Elektrizitätswerke, egal ob kalorische oder atomare, bedrohen unsere Atmosphäre. Gegen Wasser- kraftwerke und Windräder wird oft demonstriert. „Baut sie egal wohin, nur nicht bei uns“, heißt die Devise der umweltbewussten Protestierenden.

Wir alle sind nur Menschen und machen, auch wenn wir uns bemühen, „Fehler“. Und sei es nur in den Augen der anderen. Am besten ist das am Beispiel von Greta Thunberg zu sehen. Ihr ist es im Alter von 17 Jahren gelungen, eine weltweite Bewegung zu starten, an der Hunderttausende Jugendliche teil- nehmen. Mit ihren Fridays for Future macht sie auf die Erderwärmung und die nahende Klimakatastrophe aufmerksam. Sie mobilisiert Massen, nicht nur zuzuschauen, sondern endlich irgendetwas zu unternehmen. Und dann erwischte sie jemand in einem Zug sitzend mit einem Plastikbehälter, in dem sie ihr Essen aufbewahrte. Was für ein Skandal! Die Fotos gingen um die Welt.

Dazu fällt mir ein anderes Beispiel ein: Als ich 1975 die damalige Tschechoslowakei in Richtung Österreich verließ, schenkten mir meine Eltern zum Abschied einen Pelzmantel. „Der soll dich in der Fremde wie eine warme Umarmung schützen“, sagte mein Vater damals. Zu der Zeit war die Pelzzucht noch kein großes Thema und ich freute mich über das kostbare Geschenk, das für mich vor allem einen enormen ideellen Wert hatte: Meine Eltern legten ihre Hände um mich und waren immer bei mir. Aber nur ein paar Jahre danach erhob sich eine große Welle der Entrüstung über die Qualen der Tiere, die für den Luxus, den sich nur wenige Menschen leisten können, leiden müssen. Als ich von den in engen Käfigen eingesperrten Waschbären, Füchsen oder Nerzen, denen man am Ende ihres qualvollen Lebens die Haut vom lebendigen Leib abzieht, las und die Berichte darüber im Fernsehen sah, war ich genauso schockiert wie die meisten von uns. Frauen, die solche Mäntel und Jacken trugen, wurden auf der Straße von Tierschützern beschimpft, manchmal sogar mit Farbe oder Säure überschüttet. Der Slogan „Felle tragen nur Tiere oder Huren“ ist mir bis heute in Erinnerung geblieben. So weit, dass mich jemand öffentlich anpöbelt oder mit ätzender Flüssigkeit attackiert, wollte ich es nicht kommen lassen. Ich trug meinen Pelzmantel ab dem Zeitpunkt aus Überzeugung nicht mehr. Ich wollte nicht provozieren und schon gar nicht unschuldigen Tieren unnötiges Leid zufügen. Um nicht zu frieren, kaufte ich mir alle paar Jahre eine Daunenjacke, deren Ober- und Unterstoff aus Kunstfasern gefertigt war. Jetzt frage ich mich, ob es nicht ökologischer und nachhaltiger gewesen wäre, meinen alten Pelzmantel, der ohnehin schon da war und der seit Jahrzehnten ungetragen auf dem Dachboden hängt, auszutragen.

Polyesterfaser biologisch abzubauen ist so gut wie unmöglich. Ich fürchte, unsere Kinder und Kindeskinder werden sich mit dem Abfall, den wir ihnen hin- terlassen, noch sehr lange herumschlagen müssen.

Auch heute machen Klimaaktivisten von sich reden. Aus Protest gegen die Umweltverschmutzung überschütten sie Gemälde berühmter Meister wie Klimt, van Gogh oder Monet mit Tomatensuppe oder Erdäpfelpüree, kleben sich an Ort und Stelle an und verlangen dabei von Politikern, das fossile Wirtschaftssystem zu beenden. Ob es ihnen auf diese Art gelingen wird, sei dahingestellt.

Keine Frage, wir müssen etwas tun. Bald. Und jeder soll bei sich selbst anfangen. Ich bemühe mich seit Jahren nachhaltig zu leben, gehe viel zu Fuß, fahre so viel wie nur möglich mit dem Fahrrad oder öffentlich, trenne Müll, drehe das Wasser beim Zähneputzen oder Haare-Schamponieren ab und lasse es erst beim Abspülen wieder laufen, bewirtschafte meinen Gemüsegarten biologisch, ernähre mich zu 80 Prozent vegetarisch, koche vorwiegend selbst, vermeide Einweggeschirr. Ein Coffee to go in einem Pappbecher ist für mich ein No-Go. Ich kaufe regional und saisonal ein und nur das, was dringend notwendig ist.

„Aber was ist mit den großen Energieschleudern?“, fragt jemand aus der Runde am Feuer. „Uns schreibt man in den Innenräumen 19 Grad Celsius vor und die Olympischen Winterspiele in Peking fanden auf Kunstschnee statt, die Saudis bauen Skihallen in der Wüste, die acht neuen und gigantischen Fußballstadien, die zur Austragung der Fußballweltmeisterschaft in Katar errichtet wurden, müssen klimatisiert werden. Und auch die EU-Parlamentarier, die große Sparpläne schmieden, fliegen täglich oder wöchentlich nach Brüssel oder Straßburg, was einen enormen Energieverbrauch und eine Schadstoffbelastung bedeutet.“ Schnell entfacht sich eine Debatte, in der es um effektives Sparen und Volksverblödung geht. Die einen wollen die Welt retten, indem sie sich im Winter einen wärmeren Pullover anziehen und beim Schlafen eine zweite Bettdecke verwenden, die anderen schwören auf Neuwahlen und Austausch der Regierung.

Zugegebenen: Mir sind 19 Grad im Büro auch zu wenig. Wenn ich den ganzen Tag am Schreibtisch sitze und mich kaum bewege, friert bei so einer geringen Temperatur mein Blut in den Adern ein. Da hilft auch keine Decke oder warme Weste, wenn mein Atem sichtbar wird. (Soweit wird es hoffentlich nicht kommen.)

Das Temperaturempfinden ist relativ. Bei plus 20 Grad bibbern die Hawaiianer vor Kälte, während die Finnen über die Hitze klagen. „Und wisst ihr, was bei minus 20 Grad passiert?“, witzelt ein Freund aus der Runde. „Die Autos starten nicht, der öffentliche Nahverkehr in Europa steht, aus allen Kaminen steigt der Rauch auf, während in Sibirien über die Einschaltung der Heizung nachgedacht wird. Und bei minus 40 Grad? Die Hölle und der Wodka frieren ein. Die Russen lassen sich nicht entmutigen und lutschen Wodka am Stiel.“

Alle lachen. Noch. ●○