Kinderkunstlabor

Lila Sonnen, bunte Netze


Nicht nur Kinder, auch Erwachsene lernen ständig Neues im Kinderkunstlabor. Was, das erzählten uns eine Künstlerin, eine Vermittlerin, eine Schülerin und drei Schüler. Dabei erfuhren wir, was ein Kunstwerk mit den Bewegungen von Föten zu tun hat, welche Ideen der Umsetzung harren und warum das Kinderkunstlabor so manche Erwartung enttäuschte.

Ebra Kocyigit arbeitet als Kunstvermittlerin im Kinderkunstlabor.

„Die unkonventionellen Ansätze der Kinder inspirieren mich“

Ich arbeite als Kunstvermittlerin im Kinderkunstlabor. Wenn ich Führungen oder Workshops mache, gehe ich nicht einfach voran, sondern beziehe die Kinder mit ein. Ich lasse sie selbst sprechen und etwas über die Kunstwerke erzählen. Es war immer mein Traum, pädagogisch mit Kindern zu arbeiten. Vor meiner Stelle hier war ich in Kindergärten und Schulen tätig, aber dort war ich nicht glücklich. Immer standen die starren Perspektiven der Erwachsenen und die Disziplin im Zentrum. Dann hieß es vielleicht: „Male die Sonne nicht lila, sondern gelb.“ Zu sehen, dass die Kinder in ihrem Schaffen nicht wirklich frei sind, hat mir wehgetan. Als Kunstvermittlerin im Kinderkunstlabor habe ich endlich gefunden, wonach ich gesucht habe. Wir arbeiten mit den Kindern nicht auf ein Ergebnis hin, sondern es geht um den Prozess und die Freude an der Gestaltung. Ob die Sonne lila ist oder ausschaut wie ein Mond, das ist total egal. Das macht das Kinderkunstlabor so besonders.

In unseren Workshops arbeiten wir nicht mit starren Strukturen. Wenn ich merke, dass die Kinder Bewegung brauchen, integriere ich das flexibel in den Ablauf, etwa durch eine kurze Bewegungseinheit im Garten, im Kleinkinderbereich „Archipelago“ oder im Kletternetz. Meistens gehen die Kinder jedoch so in der freien Entfaltungsmöglichkeit auf, dass sie gar keine Pause einlegen möchten. Gemeinsam schaffen wir eine Balance. Die Perspektiven der Kinder sind oft überraschend anders und bereichernd. Sie erkennen Dinge, die wir Erwachsene manchmal übersehen. Ihre unkonventionellen Ansätze inspirieren mich immer wieder. Das Kinderkunstlabor lebt von der Perspektive der Kinder. Ihre Ideen und ihr freier Umgang mit Kunst machen nicht nur die Workshops lebendig, sondern sorgen auch dafür, dass sich der gesamte Prozess ständig weiterentwickelt. Mir gefällt es wirklich sehr, dass die Kinder sich hier so wohl fühlen und in der Kunst eine Form finden, ihre innere Welt zu vermitteln und auszudrücken. ● ○

Toshiko Horiuchi MacAdam ist eine renommierte Textilkünstlerin und lebt in Nova Scotia (Kanada).

„Potenzial für Verbesserungen“

Im Leben von Kindern gibt es unerwartete Zwischenfälle. Durch das Spiel lernen sie zu reagieren, wenn sie etwas erschreckt, und ihre Emotionen zu kontrollieren. Beim Spielen können wir unsere Instinkte entwickeln und schärfen, ohne andere zu verletzen. Als Kind durfte ich auf Bäume klettern und mit den Jungs kämpfen. Meine Kindheitserfahrungen haben sicherlich den Boden für mein erwachsenes Ich bereitet – meine Fantasie, Kreativität und Entschlossenheit haben dort ihre Wurzeln. Die Gespräche mit dem Kinderkunstlabor für meine Arbeit starteten bereits 2021. Der Entwurfsprozess nahm einige Zeit in Anspruch. Wenn man genau beobachtet, wie Kinder sich bewegen, wie sie springen und klettern, kann man die Höhenverhältnisse und Zwischenräume in der Materialstruktur bestimmen, die eine sichere, aber herausfordernde Fortbewegung ermöglichen.

Mit meinem Netz möchte ich einen Raum schaffen, wo viele Kinder zusammenkommen, die gemeinsam Spaß haben. Manche von ihnen sind sehr sportlich und klettern hoch oben auf dem Netz herum. Sie machen vielleicht einen Purzelbaum und landen mit großem Schwung, aber das tut den anderen nicht weh, weil das Netz diese Energie absorbiert. Und andere, die sich nicht so gut bewegen können, lachen und teilen das Gefühl. In meinen Installationen müssen sich Kinder nicht unbedingt bewegen: Sie sind dort in der Lage, aktiv mitzumachen, auch mit eingeschränkter Beweglichkeit.

Mona Jas, die künstlerische Leiterin des Kinderkunstlabors, hat mir erzählt, dass das Netz in Forschungsprojekte über den Wert der Kunst im Leben von Kindern einfließt. Mein jüngerer Bruder ist Professor für Neugeborenenmedizin mit besonderem Schwerpunkt auf Frühgeborene. Er beobachtete, wie Kinder auf unserem Netz spielten und sich die wellenförmige Bewegung von einem zum anderen übertrug. Da kam ihm der Gedanke, dass dies die Entwicklung ihrer Nervenbahnen fördern könnte, weil diese Art der Stimulation den Bewegungen des Fötus im Mutterleib entspricht. Mir gefällt diese Idee. Das Kinderkunstlabor könnte der perfekte Ort für solche Studien sein. Ich glaube, es ist sehr wichtig, was hier geschieht. Das hat das Potenzial für weitreichende Verbesserungen für Kinder und die Gesellschaft als Ganzes. ● ○

Kian ist elf Jahre alt und geht zur Schule in Niederösterreich.

„Die können für unsere Rutsche spenden“

Als das alles noch nicht da war, sind wir in den Garten gegangen und haben Schnüre gespannt. Und dann wurde daraus ein großes Spinnennetz. Wir haben uns in einem Film angeschaut, wie die Künstlerin Toshiko Horiuchi MacAdam das Netz macht. Wir hatten kleine Stofffäden und auch ein Stück vom Netz, das durften wir anfassen und anschauen. Ich mag das Kletternetz, aber auch den Raum für die kleinen Kinder unten. Ich komme manchmal auch so zum Abhängen her. Mein kleiner Bruder ist zwei Jahre alt, und der kommt auch oft mit. Dann spielen wir hier. Im Raum für kleine Kinder, dem „Archipelago“, kann man rutschen und mit Magic Sand spielen. Außerdem gibt es einen Geheimgang, auf den man hochklettern kann. Darin ist etwas Ähnliches wie eine Hängematte. Oben sind Seile befestigt, das schwingt dann so. Das ist ein bisschen unangenehm, deshalb nehmen wir so einen Sitzsack, der ausschaut wie ein Donut – weil es dann angenehmer ist, sich hinzusetzen.

Ich nahm schon an mehreren Workshops teil. Richtig besonders war es einmal, als wir mit dem 3D-Drucker arbeiten durften. Wir haben damit Roboterformen gestaltet, und dann durften wir sie mit Schokolade einfassen und in den Kühlschrank legen. Zum Schluss konnten wir sie essen. Ein Stück vom Kinderkunstlabor ist Museum und ein Stück ist Spielplatz. Die Skulpturen da draußen sind aber beides: Man kann sie sich anschauen, und man kann drauf herumklettern. Im Kinderkunstlabor dürfen wir Kinder mitentscheiden, als wären wir Mitarbeiter. Wir bekommen dafür aber kein Geld. Doch wenn wir was Cooles ausgestellt haben und die Leute es mögen, freuen wir uns darüber. Vor ein paar Wochen waren wir hier und hatten die Idee, eine Tunnelrutsche vom Haus in den Garten bauen zu lassen. Aber die Leiterin des Kinderkunstlabors hat gesagt, dass das sehr teuer ist. Sie müssen dafür noch Geld sparen. Ich hatte sehr viele Ideen, wie wir Geld dafür verdienen könnten. Zum Beispiel dass wir Künstlerinnen und Künstler herholen und dann kommen viele Leute, um sie zu sehen. Und die können dann für unsere Rutsche spenden. ● ○

Adrina ist zehn Jahre alt und Schülerin.

„All das gibt es jetzt“

Weil meine Mama hier arbeitet, bin ich öfter im Kinderkunstlabor. Von Anfang an war ich Teil des Kinderbeirats. Dort haben wir über das Kinderkunstlabor gesprochen und darüber, was da hineingehören könnte. Ich war dabei, als es geplant wurde. Wir durften mitbestimmen, was wo hingehört. Das fand ich voll toll. Wir haben auch die Baustelle angeschaut. Bevor das Kinderkunstlabor aufgebaut wurde, war da ein Loch, und wir waren im Loch drinnen. Da dachte ich mir, dass es wie ein echtes Museum werden würde. Also mit gestorbenen Tieren oder Sachen aus der Steinzeit darin. Oder dass einem dort erklärt wird, wie das Weltall aussieht. Aber dann war es noch viel besser, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich dachte, es würde viel kleiner sein.

Ich habe mir gewünscht, dass es ein Raum wird, wo wir zeichnen und basteln können. Und ein Raum zum Spielen. Und auch etwas für die jüngeren Kinder. All das gibt es hier jetzt. Dazu noch die Labore im zweiten Stock, wo die Kinder zeichnen und basteln können, und eine Schreibmaschine und Hängematten. Da lege ich mich manchmal rein. Aber noch lieber bin ich im Netz!

Im Moment ist im ersten Stock die Ausstellung „Dreamlab“ von Rivane Neuenschwander. Da sind so Schattenspiele. Da gehe ich öfters rein und spiele damit. Bald wollen wir wieder was Neues reingeben. Meine Mama meldet mich fast immer für die Workshops an. Da kommen neue Menschen aus anderen Ländern und wir reden. Das letzte Mal ist zum Beispiel ein Mann gekommen, der reist um die Welt und entdeckt neue Sachen. Und mit ihm haben wir darüber gesprochen, was wir in den ersten Stock im Museum tun könnten: so eine Kugel, die vom Dach hängt, das war die Idee. Mir gefällt, dass im ersten Stock immer etwas Neues kommt.

Die Skulpturen draußen im Garten haben wir uns ausgedacht. Wir wollten, dass sie Löcher haben, in die man reinklettern kann. Ich finde es voll toll, dass die Künstlerinnen Christine und Irene Hohenbüchler sie dann genau so gebaut haben. ● ○

David ist Schüler und zehn Jahre alt, sein Bruder Lukas drei Jahre jünger.

„Wir reden mit“

Wir haben das Museum schon gesehen, bevor es überhaupt da war. Wir waren hier auf der Baustelle und das Kinderkunstlabor war eine große Grube. In der Grube war ein Loch, uns wurde gesagt, dass da der Lift reinkommt. Wir haben einen Workshop gemacht. Das war 2023 im Sommer. Alles war hier noch grün und es wuchs hohes Gras. Und genau hier, wo wir jetzt sitzen, war ein riesiger Baum. In dessen Schatten haben wir immer selbst gekocht. Wir vom Kinderbeirat haben uns darauf geeinigt, dass es diese Holzstöcke ums Museum herum gibt. Es gab verschiedene Vorschläge, wir haben uns auf Glas und Hölzer geeinigt. Mit dem Glas schaut es modern aus und mit den Hölzern wird es gemütlich.

Da sind ja so Geräte im Garten, die Skulpturen. Zum Beispiel gibt es ein rotes Gerüst mit einem Nest oben. Das haben mein Bruder Lukas und ich uns ausgedacht, mit der Künstlerin Regina Möller. Wir haben unsere Ideen aufgezeichnet und dann durften alle Punkte drauflegen, welche sie am besten finden. Das wurde dann gebaut. Ich finde es gut, dass man in einem Museum für Kinder klettern und rutschen kann. Dass ich das Museum mitgestaltet habe, war schon sehr besonders. So etwas habe ich noch nie erlebt.

Einmal im Monat gibt es ein Treffen der Kinderkunst­labor-Gruppe. Da bespricht man die nächste Ausstellung, wo man was hinlegen könnte. Wir als Kinderbeirat reden mit bei der Planung. Wir schauen uns zum Beispiel Sachen an, die es schon woanders gibt, und überlegen, ob die ins Kinderkunstlabor passen könnten. Letzte Woche haben uns die vom Kinderkunst­labor eine Rauchwolke gezeigt und einen Affen, der mit Kunst spielt. Dann gab es noch ein Kunstwerk von einer amerikanischen Künstlerin mit Gummi­ringerln. Es heißt „We Are the People“. Und dann fragen sie uns, wo die Kunstwerke hinkommen könnten. Uns gefällt, dass es immer neue Ausstellungen gibt, zum Beispiel jetzt eine, in der lauter Hängematten sind. Da kann man etwas malen und sieht es erst, wenn man es auf eine Lichtquelle legt. Das Kinderkunstlabor ist ein Museum, wo man auch was ausprobieren kann: ein Selbermachmuseum. ● ○