Christina Kiesler bezeichnet sich als „People Pleaserin“, als eine Person, die gefallen will. Aber sie ist auch verständnisvoll. Vielleicht brauchen rechtsradikale Politiker, so fragt sie sich in ihrem Solokabarett „Nachspielzeit“, nur eine Umarmung. Und dann macht sie es an einem imaginierten Exemplar vor. Wie eine Schlange, die ihr Opfer zerdrückt. Mit ihrem „Hard Body“, den sie im Fußballdress selbstbewusst zur Schau stellt, ginge das ja recht elegant. Auf der Bühne knackst es jedenfalls ganz fürchterlich bei der Schwitzkasten-Umarmung. Zufrieden stellt das Energiebündel fest: „Den haben wir zerlegt.“
Dieser Sketch ist symptomatisch. Denn Christina Kiesler, 1992 in Neunkirchen geboren, lebt Widersprüche. Als „People Pleaserin“ tut sie sich natürlich schwer beim Fußballmatch. Aber in Wirklichkeit sei sie ohnedies eine „unfaire Sau“. Sie hätte auch kein Problem damit, sich hochzuschlafen. Ein „Schas“ nur, dass es so wenige Frauen in Führungspositionen gibt. Denn Christina Kiesler ist eine Lesbe. Das Wort mag sie nicht, denn es klinge wie Wespe. Daher: „I bin a Warme!“ Das sei ihr schon früh klar geworden, sagt sie im Gespräch: „Wenn die anderen den Prinzen im Märchen fesch gefunden haben, dachte ich mir: Naja, ihr habt euch die Prinzessin nicht angeschaut! Die find’ ich lässig.“
Am Land als „Warme“ aufzuwachsen, sei, sagt sie, keine Tortur gewesen: „Es gab immer das nötige Maß an Akzeptanz, sowohl in der Familie als auch im Freundeskreis. Diese Unterstützung hat dazu beigetragen, selbstverständlich mit meiner Sexualität umzugehen. Und je selbstverständlicher du selbst damit umgehst, desto selbstverständlicher kommen dir die Menschen entgegen.“
Nach der Matura besuchte sie in Wien die Schauspielschule von Elfriede Ott. Sie entdeckte ihr komödiantisches Talent, sammelte Erfahrungen, etwa bei Poetry-Slams, spielte am Theater der Jugend in Wien und den Peter Pan beim Grazer Märchensommer. 2022 realisierte sie das Musikkabarett „Satisfaktion“. Die Band wollte dann aber mehr Musik machen – und der Pianist riet ihr zu einem Kabarettsolo. „Ich wollte das eigentlich nicht, weil ich aus dem Teamsport komme“, sagt sie. 2005, mit 13, begann sie beim SV Gloggnitz, später spielte sie bei Wiener Neustadt und Dynama Donau. Sie war geradezu eine Vorreiterin in Sachen Frauenfußball: „Es gab 10 Euro pro Punkt, also 30 Euro pro Sieg. Wir haben uns das Bier danach ehrlich verdient.“
Im letzten Jahr überschlugen sich die Ereignisse, sodass für Fußball keine Zeit blieb: Christina Kiesler erhielt einen Jahresvertrag von Next Liberty, dem Kindertheater in Graz. Mit der Band Eff Eff gewann sie den Protestsongcontest (ex aequo mit Laura Braun). Und für „Nachspielzeit“ erhielt Christina Kiesler im November 2024 den Förderpreis des Österreichischen Kabarettpreises.
In diesem Solo geht es nicht nur um Fußball und Homosexualität, sondern auch um Freunderlwirtschaft und Korruption: „Am Land weiß man halt, wo man hingeht, wenn man was braucht.“ Nachsatz: „Und ich muss zugeben, dass ich davon profitiert habe. Dementsprechend gehe ich auch mit mir selbst ins Gericht.“
Selbstironie ist vielleicht die höchste Form von Humor.
Termine:
www.christinakiesler.at ● ○