Wann haben Sie zuletzt getanzt? Bei der Hochzeit der Arbeitskollegin? Bei der Geburtstagsparty des besten Freundes? Oder daheim – weil die Musik Sie vom Sofa gerissen hat oder Ihr Kind jauchzend durch das Wohnzimmer gehüpft ist? Im Gegensatz zu vielen anderen Kunstformen ist das Tanzen etwas, das die meisten Menschen sofort, ohne Werkzeug und Ausbildung ausüben können – zumindest auf einem Niveau, das keinerlei künstlerischen Anspruch erhebt. Das unterscheidet es von den bildenden Künsten, dem Schreiben, dem Theater, von technikbasierten Künsten wie dem Film und der Fotografie sowieso.
Diese Unmittelbarkeit der freien Bewegung ist etwas, das sich durch das – diesmal dem Tanz der Gegenwart gewidmete – aktuelle morgen zieht. So schildert unsere Kolumnistin Zdenka Becker, wie ihr spontanes Tanzen einst beim Erlernen der deutschen Sprache half. „Musik und Tanz bringen Lockerheit und ermöglichen es, leichter Kontakte zu knüpfen, oft auch dort, wo die Sprache versagt“, schreibt sie.
Und doch ist Tanz eben auch eine Kunst, deren Ausübung häufig jahrelanges hartes Training, eine Ausbildung, kreative Einfühlung und originäre Zugänge verlangt – auch wenn Choreografinnen und Choreografen inklusive Ansätze verfolgen und die Kritik an der Normierung von Körpern thematisieren. Das tun etwa Doris Uhlich und Leonie Humitsch, die meine Kollegin Karin Cerny zu einem Round Table – gemeinsam mit der Performance-Expertin Rosemarie Brucher – lud. Uhlich stellt das emanzipatorische Potenzial des Tanzes in ihren Stücken mit Laiendarstellerinnen und -darstellern unter Beweis, deren Körper häufig nicht den Normen der Schönheitsindustrie entsprechen. Auch jenen zum Trotz, die, wie Uhlich sagt, „diese perfektionierten Körper auf der Bühne sehen“ wollten: „Meine Bühne sieht anders aus, mehr wie die Welt da draußen.“
Die Welt da draußen: Sie bewegt auch die Stücke des belgisch-marokkanischen Choreografen Sidi Larbi Cherkaoui, und zwar mit einer Dringlichkeit, die einer den Atem rauben kann. Dem Festspielhaus St. Pölten ist er schon lange verbunden; am 24. Jänner kommt seine neue Arbeit „Ihsane“ dort zur Aufführung. Grund genug, diesem großen Künstler diesmal unser Special zu widmen. Vielleicht sehen wir uns ja demnächst im Festspielhaus. Bis dahin viel Freude beim Lesen dieser Ausgabe!. ● ○
Herzlichst
Ihre Nina Schedlmayer