Man stelle sich vor, all das hier wäre abgerissen worden: der Veranstaltungssaal im Art-déco-Stil, die Vorhalle mit ihren großen, mehrteiligen Bogenfenstern, der Giebel, hinter dem sich kleine Zimmer verbergen. Das gesamte Ensemble, das 1924 als Arbeiterheim der 1.600-Seelen-Gemeinde Grünbach am Schneeberg errichtet wurde.
Voll mit Müll
Es hat überlebt. Dank eines Moments, den Bea von Schrader bei einem Besuch von morgen an einem Septembervormittag ebendort schildert. Es war im Jahr 2008, als sie erstmals diese Bühne betrat. Nun steht sie hier und erzählt davon, wie sie die Location entdeckte. „Hier“ – sie weist mit einer kreisenden Geste in den Zuschauerraum – „war alles voll mit Müll. Aber ich schaute in den Saal, und mir war klar, dass man ihn nicht verfallen lassen kann.“ Heute heißt das damals verfallende Gebäude Kunsthaus Grünbach am Schneeberg, kurz Kunsthaus GAS.
Bea von Schrader, 1968 in Linz geboren, ist weit gereist: Tokyo, Australien, Amsterdam, San Francisco – an vielen Orten dieser Erde lebte, studierte und arbeitete sie, in unterschiedlichen performativen Genres wie Ausdruckstanz, Butoh, New Dance, und dem experimentellen Theater. Zudem absolvierte sie Ausbildungen in Violine, Gitarre und klassischem Gesang. Seit 2008 lebt und werkt sie im einstigen Arbeiterheim Grünbachs. Dieses baute die Tänzerin, die im Vorjahr den Kulturpreis des Landes Niederösterreich – genauer: den Würdigungspreis für darstellende Kunst – erhielt, als einen Raum des Dialogs zwischen den Disziplinen auf, gemeinsam mit vielen, vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern.
In Grünbach, das Anfang der 1920er-Jahre durch ein Steinkohlebergewerk enorm wuchs, war das Gebäude einst ein Zentrum der Arbeiterkulturbewegung. Im Lauf der Jahrzehnte diente die Location als Kino- und Tanzsaal, als Versammlungsort und Vereinstreffpunkt, als Theater, Konzerthaus und Streikzentrale. Doch 1987 war Schluss damit. Dann geschah lange nichts – eben bis Bea von Schrader kam. Sie gründete den Verein Urhof 20 und betreibt das Haus bis heute mithilfe von öffentlichen Subventionen, privatem Sponsoring und Eintritten, sehr viel ehrenamtlicher Unterstützung sowie einer beispiellosen Hingabe. Ein Meilenstein war die Dachsanierung 2022.