Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser!


Die 1990er-Jahre in St. Pölten waren aufregender, als Ortsunkundige bisweilen vermuten. Die jüngste Landeshauptstadt Österreichs war im Umbruch. Mit dem Regierungsviertel, das Architekturkritikerin Isabella Marboe für dieses Heft neu erkundete, entstanden zahlreiche Kulturinstitutionen.

Im Gasthaus Koll traf sich die Subkulturszene, in einer stillgelegten Werkstatt am Stadtrand probten Nachwuchsbands, Mimi Wunderer eröffnete die Bühne im Hof, Jugendliche tanzten auf Raves am Gelände des späteren Regierungsviertels ihrer Zukunft entgegen.

Die 1990er-Jahre in St. Pölten waren aufregender, als Ortsunkundige bisweilen vermuten. Die jüngste Landeshauptstadt Österreichs war im Umbruch. Mit dem Regierungsviertel, das Architekturkritikerin Isabella Marboe für dieses Heft neu erkundete, entstanden zahlreiche Kulturinstitutionen; heute holt das Festspielhaus internationale Stars nach St. Pölten, punktet das Museum Niederösterreich mit Ausstellungen, die weit über das Bundesland hinausstrahlen. Einen zusätzlichen Schub erhielten bereits vorhandene Instituti­onen wie die erwähnte Bühne im Hof sowie das Landestheater, und das Frequency Festival setzte die Stadt auf den Konzertkalender. St. Pölten entwickelte sich kulturell in Rekordtempo. Dem spüren wir in diesem Heft nach.

Mein Kollege Sebastian Fasthuber fragte drei Kulturschaffende, wie es der freien Szene geht, und wie sie sich gegenüber den großen Playern positioniert. Wobei: Sind die Grenzen zwischen E- und U-Kultur tatsächlich so messerscharf zu ziehen? Tarun Kade glaubt nicht daran. Der kuratorische Leiter der gerade eröffneten Tangente St. Pölten, des Festivals für Gegenwartskultur, wünscht sich dafür, „dass man hin- und herspringen und vom einen ins andere stolpern kann“. Genau das verspricht das umfangreiche wie vielfältige Programm am Puls der Zeit, das sich in die Strukturen der Stadt einschreibt und kaum besuchte Orte aktiviert. Klar, dass wir unser Special diesmal der Tangente widmen.

Viel Freude beim Lesen unseres neuen Hefts! ● ○

Herzlichst
Ihre Nina Schedlmayer