© Markus Weidmann-Krieger
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Lia Quirina

Alienwurm trifft Dragking


Hier kommt die Zukunft: An dieser Stelle präsentieren wir in jeder Ausgabe Kunstschaffende in und aus Niederösterreich, die jünger als 35 Jahre sind. Diesmal: die Künstlerin Lia Quirina.

Einmal kroch Lia Quirina als Alienwurm über das Gelände der Kunstmesse Parallel Vienna. Ein anderes Mal rasierte sie sich vor einer beachtlichen Ansammlung an Menschen im St. Pöltner Löwinnenhof* die Beine und verbrannte die entfernten Haare. Und immer wieder traf man sie mit ihrer Filmkamera oder als Workshopleiterin im Sonnenpark am Spratzerner Kirchenweg in St. Pölten. Auf dem Gelände des Kulturkollektivs Lames, das sich kürzlich mit dem Verein Sonnenpark unter dem Namen Solektiv neu formierte, wuchs sie gewissermaßen auf.

Im Jahr 2000 in St. Pölten geboren, engagierte sich Quirina früh kreativ: Schon mit 16 Jahren startete sie im Sonnenpark das Kunstcamp Kunstjam, das sie bis heute jeden Sommer organisiert. „Mich interessiert, wie man Bildungsformate erschaffen kann, die auf Augenhöhe stattfinden und außerhalb des klassischen Bildungssystems Platz haben“, erzählt Quirina, die Kunstpädagogik an der Akademie der bildenden Künste studierte; ihre Mutter regte sie zudem an, sich ebendort in der Klasse für Kontextuelle Malerei bei Ashley Hans Scheirl zu bewerben; Lia Quirina war erfolgreich. Ihr Kunststudium verfolgt sie weiter; allerdings ließ sie ihr erstes Ausdrucksmittel, die Malerei, hinter sich, konzentriert sich auf Performance und Installation sowie den Dokumentarfilm in Praxis und Theorie.

Im Rahmen eines Residency-Programms in Novi Sad, Timișoara und im Sonnenpark startete sie 2022 das Artistic-Re­search-Projekt „Archäologie für Subkultur“, um „Subkulturorte, die einen transformativen Charakter haben, zu dokumentieren“, wie sie schildert. Über den Sonnenpark drehte sie zuletzt eine Doku, die gerade in Postproduktion ist und darüber erzählen soll, „was der Geist dieses Orts und des Vereins ist und wie er sich weiterentwickelt“.

Mit Solektiv ist die Künstlerin persönlich verbunden, ist doch ihr Vater Gründungsmitglied des Vereins Lames; sie selbst war früher im Vorstand. Nicht nur deswegen ist St. Pölten ihre Homebase. „Es ist eine Art Safe Space, in dem ich gut experimentieren kann. Was ich an der Stadt richtig schätze: Egal, wo du hingehst, du triffst immer jemanden, es gibt eine Community.“

Kollektives Arbeiten ist Quirina wichtig: So kollaboriert sie mit dem Startraum im Löwinnenhof* oder dem Designbüro Mars + Blum. Voriges Jahr initiierte sie im Cinema Paradiso auch einen Abend für die Drag-Community. Der nächste Termin steht im Rahmen des Festivals Tangente St. Pölten an. Neben Erinnerung und Dokumentation nennt sie Konstruktion von Identität, Gender und Queering als zentrale Themen ihrer Kunst. Derzeit tüftelt sie an einer Performance. Charaktere, in die sie sich schon für ihre Performance-Video-Serie „Im Paradiesgarten“ verwandelt hat, sollen darin binäre Stereotype aufbrechen: Alienwurm trifft Dragking. Bis zum Sommer verbringt sie ein Erasmus-Jahr in Barce­lona. Bis sie wieder zurückkommt nach St. Pölten, ihrer Homebase. ● ○