Funky mit Witz: österreichischer Biennale-Pavillon, Ausstellungsansicht
Georg Petermichl
Funky mit Witz: österreichischer Biennale-Pavillon, Ausstellungsansicht

Biennale

Von Fettecken und Malhemden


Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl liefern einen schwungvollen Biennale-Auftritt – mit Humor.

Es sind schräge Figuren, die den österreichischen Pavillon auf der Biennale Venedig bevölkern: Da verschmilzt ein Verner-Panton-Chair mit einem amorphen Körper, da wird ein rundlicher weiblicher Akt in Gelb von einem wuscheligen Spielzeugtier gekrönt, einem sogenannten Glook Gonk – große Augen blicken aus knallgelbem Haar. Springende Beine in Jeanshosen und ein T-Shirt mit der Aufschrift „Atomkraft, nein danke“ verteilen sich ebenso in den Räumen. An einer Wand winkt eine Tapete mit einer Science-Fiction-artigen Landschaft. Jakob Lena Knebl, die gemeinsam mit ihrer Partnerin Ashley Hans Scheirl den heimischen Beitrag in Venedig bestreitet („Invitation of the Soft Machine and Her Angry Body Parts“) und 1970 in Baden geboren wurde, beweist seit jeher: Schmäh hilft, ernsthafte Anliegen zu transportieren. In der Ausstellung des Duos, kuratiert von Karola Kraus, Chefin des Wiener Mumok, geht es um nicht weniger als queere Identitäten, Kapitalismuskritik und Ausgrenzungsmechanismen – und um die 1970er-Jahre, die so prägend für die Gegenwart waren.Knebl liefert schon lange ironische Kommentare auf Kunst- und Designgeschichte – etwa als sie ihren Körper im Stil von Piet Mondrian gestalten ließ oder als „Fettecke“ posierte: Der Titel spielte auf Joseph Beuys’ legendäre gleichnamige Arbeit an, die Knebl als eine Aktaufnahme ihrer selbst, in einen Winkel eingefaltet, interpretierte. Wenn sie einem Giacometti eine glänzende Jacke überstreift, wie sie es in ihrer Mumok-Ausstellung 2017 tat, dann kann dies implizit auch als Witz über die Ehrfurcht vor der Kunst interpretiert werden.

Goldener Kot

In ihrer Biennale-Installation schicken Knebl und Scheirl ihr Publikum auf eine heiter-lustvolle Reise, bei der man auch auf Scheirls goldenen Kothaufen (eine Anspielung auf den Kapitalismus, der Mist in Gold verwandeln kann) stößt, ebenso auf riesige Augen, die von Wänden blicken. Wer es nicht bis Venedig schafft, kann übrigens einen Einblick in die Arbeit des Duos – und die ihrer Studierenden, lehren doch beide an einer Kunstakademie – im neuen Ausstellungsraum von Phileas Projects bekommen (siehe Randspalte). Und wer schon in Venedig ist, kann auch gleich ein Vaporetto in Richtung Giudecca besteigen: Dort zeigt nämlich der Zuecca Project Space eine große Hermann-Nitsch-Schau – Einblicke in die 20. Malaktion, die der am Ostermontag dieses Jahres verstorbene Künstler 1987 in der Wiener Secession durchführte.

Die Ausstellung präsentiert damals entstandene Werke aus der Sammlung von Helmut Essl in Kooperation mit der Galerie Kandlhofer: ein Schüttbild mit den monumentalen Ausmaßen von fünf mal 20 Metern, gemeinsam mit weiteren kleineren Gemälden. Das große Werk entstand damals an der Stirnseite des Hauptraums der Secession, die zur Gänze davon eingenommen wurde. Davor waren „Malhemden“ in Holzrahmen aufgespannt. Der Raum der Secession, dieser heiligen Hallen der Kunst, passte perfekt zu Nitschs Schaffen, dessen Konzept des Orgien-Mysterien-Theaters das Ritual feiert – inspiriert von Nietzsche und Schopenhauer, entwickelt seit 1957.

Wenn der Zuecca Project Space nun Nitschs 20. Malaktion aufleben lässt, dann wird auch an ein Zitat des Kunstkritikers Ludwig Hevesi erinnert, das über der Secession steht: „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“. Der Wiener Aktionist, geboren 1938, musste wie einige seiner Zeitgenossen und Zeitgenossinnen erfahren, dass es mit der Freiheit der Kunst nicht immer so weit her ist, wurde er doch einige Male wegen seiner Arbeit verhaftet. Die Ausstellung wurde nun zum Requiem auf einen der größten Künstler des Landes. ● ○