Als ich in einer Radiosendung von FM4 bei einem Interview gefragt wurde, was der Sinn des Lebens sei, antwortete ich spontan: „Der Sinn des Lebens ist das Lachen.“ Und damit meinte ich nicht einen hedonistischen Weltzugang, in dem es um ein verantwortungsloses Genießen ginge. Vielmehr bedeutet Lachen, sowohl alleine als auch gemeinsam, Abstand zu gewinnen, sich selbst und die Welt von oben zu betrachten und sich fröhlich über diese zu wundern. Humor, Lachen, Witz haben immer auch mit Gelassenheit zu tun. Das Lachen wird meines Erachtens zutiefst unterschätzt, wenn es um das gute Leben, aber auch um die Demokratie geht. Und dies kommt wahrscheinlich aus ei-ner eher lachskeptischen Tradition unserer Kultur.
Essay
Demokratie-Booster
Humor hilft uns, Abstand zu gewinnen und Wider-sprüche auszuhalten. Schon Hannah Arendt wusste: Nichts kann eine Autorität so untergraben wie das Lachen über sie.
Die Menschen lachen und weinen, und dass sie lachen, ist zum Weinen!
Humor als Teufelswerk
Schon bei Platon hatte das Lachen kein gutes Image. Bei seiner Leibfeindlichkeit war ihm auch das Lachen aufgrund seines körperlichen Charakters zutiefst suspekt. Die Wächter in seinem utopischen Staat durften keinesfalls zu stark lachen, „denn wenn man sich heftig dem Lachen überlässt, so zieht es gewöhnlich eine heftige Umwandlung nach sich.“ Platon war das Lachen also verdächtig, weil es zu revolutionär war. Wir erinnern uns auch daran, dass der Verlust der Komödie von Aristoteles zum tragenden Motiv in Umberto Ecos Roman
„Der Name der Rose“ (1980) wurde. Warum? Weil die katholische Kirche nichts mehr fürchtete als ein Werk über das Lachen genau jenes Philosophen, auf den sie sich so gern bezog. Dementsprechend meinte Augustinus: „Die Menschen lachen und weinen, und dass sie lachen, ist zum Weinen!“ Das Lachen galt der Kirche des Mittelalters als Teufelswerk.
Wenn wir genauer darüber nachdenken, dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass das Lachen und der Humor dazu dienen können, mit Traditionen zu brechen und Konventionen zu hinterfragen. Und dies ist selbstredend gefährlich für traditionserhaltende Institutionen. Es geht natürlich auch in der Religion anders. Wir alle kennen den lachenden Buddha, der in entspannter Haltung mit seinem Lachen Zufrie-denheit und Gelassenheit ausdrückt. Auch im griechischen Polytheismus durfte über die Götter und Göttinnen und mit ihnen gelacht werden. Für den Fundamentalismus wiederum ist Lachen undenkbar. Zumindest nicht über das Eigene oder die als wahr erkannte leitende Idee. Anhand des Lachens könnte also eine entscheidende Grenzlinie zwischen Religionen gezogen werden.
Man hat sich viele Gedanken darüber gemacht, warum wir lachen. So wurde es meist umschrieben als eine Enttäuschung des Verstandes, der auf eine bestimmte Pointe wartet und dessen Verfehlung sich dann im lachenden Ausatmen entlädt. Es gibt unterschiedliche Anlässe dafür. Aber stets hat es damit zu tun, Abstand zu gewinnen: vom Anderen, von der Konvention, vom Bekannten, vom Selbst.
Das Lachen und die Politik
Lachen hat eine wichtige gesellschafts- und politikkritische Funktion in Form der Satire, des Kabaretts und der Ironie. Hannah Arendt hat schon gesagt, nichts könne eine Autorität so untergraben wie das Lachen über eben jene. Im Moment des Lachens geht der Respekt gänzlich verloren. Selbstredend ist hier nicht das gemeinsame Lachen, sondern das Lachen über den anderen gemeint. In so einem Fall kann der Humor eine emanzipatorische Kraft haben. Nicht jedes Lachen ist angenehm. Wer über andere lacht, drückt aus, dass er sich selbst für klüger oder einfach überlegen hält. Dies kann vom anderen als Kränkung empfunden werden, kann aber in einer hierarchischen und herrschaftsförmigen Beziehung durchaus befreiend wirken.
Nicht immer ist das Lachen angebracht, auch wenn es naheliegen könnte. Es gibt politische Figuren, die losgelöst von ihrem Handeln sicherlich als lächerlich empfunden werden können. Manches Mal würden wir sie lieber in einer Komödie auf der Bühne sehen als in der Realpolitik. Wir erinnern uns an Donald Trump: Vielen erschien er als lächerlich, seine Macht war aber real. Diese Figuren erscheinen als lächerlich und tragisch zugleich, weil hier unvereinbare Weltinterpretationen aufeinanderprallen. Wir können sogar beobachten, dass ihre von anderen empfundene Lächerlichkeit zu einem Gewaltausbruch als Gegenwehr führen kann. Wer nicht ernst genommen wird, könnte auf die Idee kommen, sich durch die Herstellung einer „ernsten Lage“ den Ernst zu erkämpfen Kommen wir aber auf das „Lebensprinzip Lachen“ zurück und seine existenzielle Bedeutung. Warum bringt das Lachen Gelassenheit und Freiheit mit sich? Witz und Humor beziehen sich schlussend-lich immer auf eine Disharmonie zwischen Sein und Schein. Entweder wird eine Erwartung nicht erfüllt oder Elemente der Wirklichkeit passen nicht vernünftig oder stimmig zueinander. Wer dies mit einem Lächeln honorieren kann, beweist die Fähigkeit, an der Diskrepanz nicht zu zerbrechen. Wer nun diese Diskrepanzen auch noch auf sich selbst bezogen lachend zur Kenntnis nehmen kann, der hat die Königsdisziplin gemeistert.
Das Lachen ist der leibliche Ausdruck der Selbstdistanzierung.
Es geht darum, Widersprüche auszuhalten. Es geht um die Fähigkeit des Menschen, sich aus der unmittelbar emotionalen Verstricktheit zu lösen und einen Abstand zur Erlebniswelt zu gewinnen. Humor beweist die Fähigkeit zur Distanzierung. Dennoch wird gerade in diesem Moment auch eine neue Beziehung zum Gegenstand oder zum Phänomen entwickelt. Im Grunde eröffnet das Lachen die Möglichkeit, eine radikal andere Perspektive auf ein Phänomen zu gewinnen. Damit handelt es sich beim Lachen um einen Moment der Freiheit und, bezogen auf das Selbst, um die Möglichkeit der Transformation. Das Lachen ist der leibliche Ausdruck der Selbstdistanzierung und der Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln.
Zentrale Tugend
Zum Vorschein kommen hier zwei zentrale Eigenschaften: Intellekt und Mut. Wir müssen nämlich zunächst den Widerspruch erkennen und dann noch mutig genug sein, ihn in der Schwebe zu lassen und nicht einseitig und ernstlich auflösen zu wollen. Es ist durchaus keine leichte Sache, humorvoll zu sein!
Humor, der im besten Falle noch geteilt werden kann, beweist einen sowohl wohlwollenden als auch selbstrelativierenden und damit bescheidenen Umgang mit sich und der Welt. Humor ist damit eine der zentralen Tugenden überhaupt.
Hier heißt Lachen eben nicht Überlegenheit, sondern sich dem Unerklärbaren und Unverfügbaren auszusetzen und zur Nicht-Rationalisierbarkeit eine gelassene Haltung zu entwickeln. Wir sehen, dass gerade aufgrund dieser Komplexität des Humors und des Lachens der Übergang zu einem neuerlichen Ernst fließend ist. Denn der erkannte Widerspruch kann als Auftrag verstanden werden, um sich selbst und die Welt ernstlich zu prüfen. Im Lachen findet sich daher stets die Möglichkeit einer unvorhersehbaren Entwicklung – auch dies muss ausgehalten werden.
Da im Lachen eine Unzulänglichkeit zum Ausdruck gebracht wird, kann sich der An-dere sicher fühlen. Wer ehrlich miteinander lacht, wird sich gegenseitig nicht verletzen. Daher wirkt das Lachen über alle Sprachgrenzen hinaus so verbindend. Können zwei oder mehrere Menschen über dasselbe lachen, dann sind sie einander bereits begegnet. Horizonte haben sich verbunden, über das rational Fassbare hinaus. Die Erfahrung mit Geflüchteten wie aktuell jenen Ukrainerinnen und Ukrainern, die vor dem Krieg in ihrem Land flohen, zeigt: Gemeinsames Lachen kann sowohl verbindenden als auch erleichternden Charakter haben. Auch wenn es nur wenige Momente sind, in denen ein Abstand zum Leid eingenommen werden kann, sind sie umso wichtiger.
Auf Gesellschaftskritik umgelegt heißt dies: Gemeinschaften, die bereit sind, über sich und die Welt zu lachen, sind auch in der Lage, sich zu transformieren. Der Humor besitzt also emanzipatorisches und demokratisches Potenzial. Dies heißt keineswegs, dass es nicht ernst werden kann oder soll. Das Lachen ist nur der Ausgangspunkt – und führt zur Neugestaltung. ● ○