Mario Wurmitzer
Johannes Stadlbacher
Mario Wurmitzer

Wurmitzer

Lob der Langeweile


Hier kommt die Zukunft: An dieser Stelle präsentieren wir in jeder Ausgabe Kunstschaffende in und aus Niederösterreich, die jünger als 35 Jahre sind. Diesmal: der Schriftsteller Mario Wurmitzer.

Fadesse hat schon viel Gutes hervorgebracht. 1992 geboren, kennt der Autor Mario Wurmitzer noch das Gefühl endloser Nachmittage, an denen im Grunde nichts passiert. Mit 14 bekam er sein erstes Handy. „Aber da war noch nix mit Social Media, man konnte nur ‚Snake‘ spielen“, sagt er. „Im Grunde hat mich die Langeweile im Dorf zur Literatur gebracht.“

Wurmitzer wurde in Mistelbach geboren und wuchs in Hautzendorf in der Gemeinde Kreuttal auf. Der Konsum von Kunst und Kultur war im elterlichen Haushalt nicht besonders ausgeprägt, aber es gab Bücher. Der Teenager griff also ins Regal und vertiefte sich in Hermann Hesse und Bertolt Brecht. Sich selbst Gegenwelten auszudenken, war der nächste Schritt. Kurzgeschichten? Gedichte? Nichts davon. Mit 16 schrieb er gleich seinen ersten Roman, das Jugendbuch „Sechzehn“. Ein halbes Jahr lag es herum, dann schickte er es an ein paar Verlage – mit Erfolg.

Das wunderte ihn ebenso wie die Verleihung des Hans-Weigel-Stipendiums durch das Land Niederösterreich ein paar Jahre später. „Ich wusste nicht, dass man einfach so Geld dafür bekommt, Sachen zu schreiben“, erinnert er sich. „Ich habe damals noch nachtelefoniert, ob das Ganze an weitere Bedingungen geknüpft ist. Dem war zum Glück nicht so.“

Bis heute ist Mario Wurmitzer kein Autor, der auf eine große Karriere aus ist. Mehr als einmal seien Texte von ihm sehr gelobt und dann doch abgelehnt worden, weil Verlage sie für schwer verkäuflich hielten. Er kann das sogar nachvollziehen: „Die Erwartungen an einen Roman, den man locker mal zur Unterhaltung lesen kann, erfüllen meine Sachen einfach nicht.“

Dafür sind sie umso spannender. Sein Buch „Im Inneren des Klaviers“ punktet mit eigensinniger Ästhetik und schrägen Einfällen. Er erzählt eine märchenhafte Geschichte aus einem unserer Zeitrechnung entrückten Königreich, die sich jedoch als Allegorie auf aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen lesen lässt. Wurmitzers Prosa hat einen Hang zum Surrealen. „Nur die Realität abbilden, das können andere Kunstformen wie der Film besser“, findet er. 

Sein nächstes Buch wird von einem großen Konzern und dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern handeln, die eine kultisch-sklavische Beziehung zu ihrem Arbeitgeber haben. Es geht um das Verhältnis des Individuums zur eigenen Arbeit. „Sie einfach zu erledigen, reicht heute nicht mehr“, so der studierte Germanist und Historiker. „Man muss auch noch so tun, als fände man alles ganz großartig.“ Die weibliche Hauptfigur will eines Tages nicht mehr mitspielen. Sie möchte auch Freizeit und ein Privatleben haben.

Gerade im Kulturbereich vermischen sich Berufliches und Privates sehr stark. Wurmitzer versucht zu trennen. Er muss nicht überall dabei sein, kann und will auch nicht alle zwei Jahre einen Roman abliefern. Alle fünf, sechs Jahre ein neues Buch mit Substanz, das entspricht mehr seinem Naturell.

Während Romane für ihn Marathons sind, sieht er Theaterstücke als die Mittelstrecke. Deshalb hat er zuletzt auch vermehrt für die Bühne gearbeitet. So war etwa im Schauspielhaus Wien „Das Optimum“ zu sehen, eine Auseinandersetzung mit Leistungswahn. Wurmitzer schreibt dialogische Stücke mit politischem Anspruch – stark satirisch, aber ohne moralischen Zeigefinger.

Bleibt zu hoffen, dass seine Werke eines Tages Dorfjugendlichen späterer Generationen in die Hände fallen werden. ● ○