„Es gibt keine eindeutigen und einfachen Antworten, der Prozess ist das Spannende.“ Das antwortet die Politikwissenschaftlerin Ljiljana Radonić auf die Frage, was sie von einem Denkmalsturz im britischen Bristol hält. Ein Satz, der auf so vieles zutrifft, wenn es um Orte der Erinnerung geht. An welche historischen Ereignisse erinnern wir uns kollektiv? Wie gedenken wir der Opfer des Nationalsozialismus, wie erinnern wir an die Gräuel sowie ihre Täter und Täterinnen? Und: Wer ist dieses „Wir“ überhaupt? Fragen wie diese müssen gesellschaftlich – und am besten wissenschaftlich begleitet – beantwortet werden.
Unser aktuelles Heft widmen wir Orten der Erinnerung. Ljiljana Radonić machte sich, unter der Moderation meiner Kollegin Saskia Blatakes, mit Künstlerin Heidi Schatzl und Kulturamtsleiter Gregor Kremser Gedanken, wie am besten mit historisch belasteten Orten umzugehen sei. Der Diskussionsbedarf ist, wie sich zeigte, hoch.
An einem Gedenkort leistet seit 30 Jahren der Verein Merkwürdig – Zeithistorisches Zentrum Melk (ZHZ) Vorbildliches: Gemeinsam mit der Gedenkstätte Mauthausen betreibt er das ehemalige KZ-Außenlager Melk. morgen sprach mit Obmann Alexander Hauer über eine besondere Form des Erinnerns, nämlich mithilfe der Kunst. Das ZHZ hat als Motto ein Zitat der deutschen Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann gewählt: „Erinnern ist Arbeiten an der Zukunft.“ Dass wir sie für ein Interview, geführt von Schriftsteller Thomas Sautner, gewinnen konnten, freut mich besonders.
Eine fantastische Gesprächspartnerin ist auch Martha Keil: Sie leitet die Ehemalige Synagoge in St. Pölten, die im Frühjahr neu eröffnet hat und um die sich unser Special dreht. Meiner Kollegin Alexia Weiss erzählte Keil, warum das Gebäude heute noch steht, wieso sie „das“ Judentum nicht erklären will und warum sie einen leeren Stuhl als Exponat in die Synagoge gestellt hat. Ein Besuch des Hauses, das auch durch seine wunderschöne Ausstattung besticht, ist schwer zu empfehlen.
Und beim Lesen dieses Hefts wünsche ich Ihnen viele neue Erkenntnisse. ● ○
Herzlichst
Ihre Nina Schedlmayer