Im Vorjahr befasste sich eine Expertenkommission kritisch und umfassend mit dem Text der niederösterreichischen Landeshymne sowie ihrem Autor Franz Karl Ginzkey und legte ein Gutachten vor.
Die Kommission stellte einstimmig fest, dass der Text weder xenophob noch intolerant oder antisemitisch ist, sondern dem konventionellen Typus einer Hymne entspricht, der herkömmlichen Denkweisen der 1950er-Jahre verpflichtet ist. Ihr Textautor, Franz Karl Ginzkey (1871–1963), heute allenfalls noch als Verfasser des Buchs „Hatschi Bratschis Luftballon“ bekannt, war Zeit seines Lebens deutschnational gesinnt und bis 1942 parteilos. Hinsichtlich seiner vielen, politisch durchaus gegensätzlichen Mitgliedschaften, kann er als politisches Chamäleon und „Konjunkturritter“ bezeichnet werden: Vom „Deutschen Schulverein Südmark“, bis zu einer Freimaurerloge, vom Ständestaatsfunktionär bis zum NS-Mitglied findet sich ein ganzes Bouquet an Mitgliedschaften. 1939 beantragte er die Aufnahme in die NSdAP, die ihm zunächst nicht genehmigt wurde. Sein Freundeskreis umfasste die jüdischen Schriftsteller Stefan Zweig und Felix Salten ebenso wie die prononcierten NS-Autoren Robert Hohlbaum oder Max Mell. Zu seinem 70. Geburtstag erhielt er den Ehrenring der Gauhauptstadt Wien und eine Würdigung von Propagandaminister Joseph Goebbels. Ein Jahr darauf wurde er in die NSdAP aufgenommen, nachdem er ein Gesuch darum an Hitler persönlich gerichtet hatte.
Antisemitische Äußerungen von Ginzkey sind nicht bekannt. Die Zweite Republik erklärte ihn für „minderbelastet“ und verlieh ihm höchste Ehren, darunter den Literaturpreis der Stadt Wien, den Wappenring der Stadt Salzburg, den Großen Österreichischen Staatspreis und das Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. Auch Straßen wurden nach ihm benannt. Bislang sahen Expertenkommissionen keine Notwendigkeit, diese umzubenennen.
Die Expertenkommission zur Landeshymne diskutierte auch den Themenkomplex Autor und Werk eingehend, etwa an den Beispielen Richard Wagner, Maxim Gorkij und Boris Pasternak. Letzterer, ein Nobelpreisträger und Antikommunist, den die Welt durch „Doktor Schiwago“ kennt, huldigte beispielsweise Stalin in einem Gedicht.
Aus diesen Gründen kam die Kommission nach intensiven Diskussionen zu dem Schluss, keine Neutextierung der Landeshymne zu empfehlen, wohl aber, sich mit dem Lebensweg Ginzkeys als in gewissem Sinne typisch österreichischem auseinanderzusetzen. Dies geschah erstmals im Rahmen einer wissenschaftlichen Tagung in der niederösterreichischen Landesbibliothek, aus der eine Publikation mit Texten der Expertinnen und Experten resultierte. ● ○