Standpunkte

Was kommt nach der Medienkrise?


In jeder Ausgabe stellt morgen drei Menschen, die sich auskennen, eine Frage. Diesmal:

Leser:innen finanzieren unabhängige Medien

Ich glaube, in den nächsten 15 Jahren werden noch viele österreichische Medien sterben.

Meine Angst ist, dass das die vierte Gewalt schwächt und die Demokratie aushöhlt. Deshalb muss unabhängiger Journalismus von jeder Instanz verteidigt werden – auch von den Marketingabteilungen und den Chefredaktionen der Verlage.

Hauptgrund für das Mediensterben sind Kapitalinteressen. Unternehmen haben noch nie deswegen Werbung geschalten, weil sie an guten Journalismus glauben, sondern um mit möglichst wenig Kosten möglichst viele in ihrer Zielgruppe zu erreichen. Das gelingt ihnen heute besser bei Online-Konzernen als bei Medien. Deshalb brauchen wir neue Erlösmodelle für unabhängigen Journalismus. Ein Weg aus der Medienkrise ist, näher an jene Leser:innen heranzurücken, deren Perspektive von großen Medien vergessen wird, weil sie nicht zu den kaufkräftigen Zielgruppen gehören.

Um neue Erlösmodelle zu finden, braucht es möglichst viele Versuche. Es bräuchte 40 bis 80 Leute, die ernsthaft ausprobieren, wie man unabhängigen Journalismus finanzieren kann. Ein schöner Trend ist, dass immer mehr junge und unabhängige Medien von Leser:innen finanziert werden. Darüber hinaus brauchen wir aber auch dringend eine Reform der Medienpolitik in Österreich. Derzeit bekommen die Medien mit der größten Reichweite die meisten Förderungen – anstatt dass neuen Versuchen auf die Beine geholfen wird.


Die Journalistin Clara Porák ist Gründerin und Geschäftsführerin von Andererseits, einem Online-Magazin für Behinderung und Gesellschaft, bei dem Menschen mit und ohne Behinderung Journalismus machen. Porák ist Mitgründerin des Netzwerk Klimajournalismus Österreich und entwickelt gern neue journalistische Formate.

© Stefan Fürtbauer
© Stefan Fürtbauer

Gerade in Krisenzeiten brauchen wir kräftige kuratierte Medien, die nach Relevanzkriterien geführt werden und Faktensicherung gewährleisten. Das ist infrage gestellt, weil sich mit dem Strukturwandel in der digitalen Welt die Werbewirtschaft rasant von klassischen journalistischen Medien wegbewegt hat. In Österreich geht die Hälfte der Werbung an internationale Digitalgiganten, die null zur Finanzierung klassischer journalistischer Medien beitragen.

Bis jetzt ist nicht gelungen, das Internet demokratiestärkend zu gestalten, obwohl alle Visionen in den 1990ern in diese Richtung gingen. Man hätte einen Teil des Internets von Anfang an so organisieren müssen, dass Diskurse nach fairen Regeln ablaufen, die etwa sicherstellen, dass Algorithmen nicht Hatespeech pushen. Machen wir medienpolitisch nicht erhebliche Anstrengungen, bewegen wir uns in ein Dilemma, wo antidemokratischen Kräften enorm in die Hände gespielt wird. Medienkorruption und Druck auf kritischen Journalismus sind eine große Gefahr.

Auch 20 Millionen Euro Journalismusförderung werden das weitere Ausdünnen der Redaktionen nicht nachhaltig verhindern. Es braucht Fördermaßnahmen, die für Medienvielfalt sorgen. Auf EU-Ebene müsste eine digitale Plattform aufgebaut werden, auf der jedes beteiligte Medium anteilig Werbeerlöse erhält. So ließe sich garantieren, dass Werbegelder dort ankommen, wo Journalismus produziert wird, dass jeder Stimme der gleiche Wert gegeben und persönliche Daten geschützt werden.

Der Medienwissenschaftler Fritz Hausjell ist stellvertretender Vorstand des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Uni Wien. Er publiziert u. a. über Medienpolitik des Nationalsozialismus, Journalismus in der Zweiten Republik sowie Neonazismus und Rassismus im medialen Kontext.

© Miel Satrapa
© Miel Satrapa

Wahrscheinlich wird es kein „nach der Medienkrise“ geben. Dennoch versuchen wir, die Studierenden unseres Bachelor-Studiengangs Journalismus & Unternehmenskommunikation auf eine Zukunft in den Medien vorzubereiten. Journalismus ist zwar ein harter Job, aber auch ein spannender, der sich stark verändert.

Medienunternehmen haben bei der Digitalisierung lange geschlafen und versuchen jetzt, viel nachzuholen. Neben Investitionen brauchen sie vor allem eine größere Offenheit: Es ist wichtig, künstliche Intelligenz nicht als Gefahr abzutun, sondern auch ihre Chancen zu erkennen. Mit KI-Tools können Texte generiert und Kreativität gefördert werden. Wir lassen die Studierenden KI-Tools ausprobieren, wobei sie entsprechend einem Leitfaden sichtbar machen müssen, welches Tool sie genutzt haben.

Aber weil durch KI auch Fake News zunehmen, kommen wir im Journalismus nicht daran vorbei, Bilder und Videos Faktenchecks zu unterziehen. Dadurch ergeben sich neue Berufsbilder wie Faktenchecker, nach denen die Nachfrage zunimmt. Unternehmen gründen auch ihre eigenen Medien, wo sie marketing- und datengetriebene Inhalte anbieten. Um die Unabhängigkeit der Medien zu wahren und ihnen zu ermöglichen, selbst zu recherchieren und Fotos zu machen, sollten die Grundlagenfinanzierung erhöht und Regionalmedien stärker gefördert werden. So würde die Glaubwürdigkeit des Journalismus gestärkt, was für die Demokratie extrem wichtig ist.

Martin Pittner leitet die Bachelor-Stu­dien­gänge Journalismus und Unternehmenskommunikation sowie Wirtschafts­beratung an der FH Wiener Neustadt. Zu seinen Schwerpunkten gehören Konsum- und Verhaltensforschung, Nachhaltigkeitskommunikation sowie Umwelt- und Medienpsychologie.

© FH Wiener Neustad
© FH Wiener Neustad