Er reitet auf Wellen, wirft Rosen in die Fluten oder lauscht dem leisen Atmen der Pflanzen. Wenn Philipp Manuel Gutmann komponiert, dann ist er dem Meer ganz nah. Mal besteht dieses aus Wasser, mal aus Blumen. Aufgewachsen ist er jedoch fernab des großen Teichs, im niederösterreichischen Herzogenburg. Als die hiesige Musikschule ihr Angebot vorstellte, funkte es zwischen dem damals neun Jahre alten Philipp und der Violine. Bald war klar: Das ist was Ernstes.
Saxophon- und Klavierstunden zu nehmen, das war der nächste Streich. Im jungen Erwachsenenalter folgten Studien in Komposition und Musikwissenschaft. Die klassische Musik hat den gebürtigen Zwettler bis heute nicht losgelassen. Es ist eine Beziehung, die Früchte trägt, wie Aufträge für das Herzogenburger Sinfonieorchester, Veröffentlichungen bei Musikverlagen wie Doblinger und diverse Auszeichnungen beweisen. Zuletzt erhielt er mit dem Kulturpreis des Landes Niederösterreich in der Sparte Musik Anerkennung. Für das Klaviertrio „Leise atmen alle Blumen“ ergatterte er den Hauptpreis bei der Verleihung des niederösterreichischen Kompositionspreises 2022 / 23.
Besonders stolz ist Philipp Manuel Gutmann auf „Hyazinth und Rosenblüt’“, ein knapp 20-minütiges Klaviertrio, inspiriert von Novalis’ Märchen „Die Geschichte von Hyazinth und Rosenblütchen“. Dass ihm die Literatur als Ausgangslage dient, ist keine Seltenheit. Wie ein Parfümeur entnimmt er dem Gedicht oder der Erzählung seiner Wahl die Essenz, um diese in das Musikstück einfließen zu lassen. Gutmanns optische Erscheinung und Arbeitsweise bilden dabei eine stimmige Symbiose: So blumig wie seine Hemden, so naturverbunden sind auch die Titel seiner Werke, etwa „Meeresreiter“, „Ich warf eine Rose ins Meer“ oder „Seacoloured Lightbellsounds“.
Woher kommt die Vorliebe für derlei Akzente? Es ist die Spieltechnik, die ihn reizt, das Einfangen fragiler Klänge, wie zum Beispiel Meeresrauschen oder das Säuseln des Windes. Streichinstrumente eignen sich seiner Meinung nach besonders gut dafür, um diese Atmosphäre in Töne zu übersetzen. „Ich möchte mit meiner Musik einen eigenen Kosmos erschaffen. In einem neuen Werk beziehe ich mich gerne auf ein vorhergehendes, nehme ein Element oder Motiv heraus und verwerte es wieder, indem ich damit in eine ganz andere Richtung gehe.“ Der 30-Jährige strebt eine Mischung aus impressionistischer Stilistik und zeitgemäßem Spiel an, mixt Tradition mit Experimentierfreude. Gleichzeitig versteht er sich als Brückenbauer, der zeitgenössische Klänge mit solchen aus dem 20. Jahrhundert verbinden möchte. Einer bestimmten Strömung innerhalb der klassischen Komposition kann er sich allerdings nicht zuordnen: „Ich habe das Gefühl, dass ich da nirgendwo wirklich hineinpasse. Für die einen komponiere ich zu ‚rückschrittlich‘, den anderen bin ich wiederum zu modern.“
Internationale Aufmerksamkeit wurde Gutmann 2019 zuteil, als im Staatstheater Cottbus sein Orchesterwerk „Periculum“ uraufgeführt wurde: „Das war das erste Mal, dass im größeren Rahmen ein Stück von mir gespielt wurde.“ Als nächstes ist die Realisierung eines Musiktheaters geplant. Anerkennung zu finden, sei in seinem Metier allerdings schwer: Die Vielzahl an Genres habe die klassische Musik in den Hintergrund gedrängt, so seine Analyse. Kein Grund für den Komponisten, sich nicht weiterhin mit voller Hingabe seiner Leidenschaft zu widmen. ● ○