Loré Lixenberg

„Ich hatte das Gefühl, mit der KI verbunden zu sein“


Mezzosopranistin Loré Lixenberg sang in „Performing Utopia“ AI-generierte Musik. morgen sprach mit ihr über neue Technologien, Programmierkurse und die Oper als Spiegel ihrer Zeit.

Loré Lixenberg ist die weibliche Stimme von „Performing Utopia“, der KI-Oper des Medienkunsttrios Alien Productions. Die klassisch ausgebildete britische Mezzosopranistin, die heute in Wien lebt, beschäftigt sich fast ausschließlich mit experimenteller Musik und Avantgarde. Ihre Arbeit umfasst Installationen und Gesangsperformances sowie Konzertabende mit Stimme, Instrumenten und Elek­tronik; sie kollaboriert mit Kunstschaffenden und schreibt experimentelle Stücke für die Stimme. Lixenberg ist auch politisch aktiv: Als Protest gegen Boris Johnson gründete sie die Partei The Voice Party und trat damit bei den britischen Parlamentswahlen 2019 an. Nach dem Brexit verließ sie England und zog nach Berlin, wo sie in Neukölln einen experimentellen Kunstraum betreibt. Darüber hinaus experimentiert sie mit neuen Opernformaten, verwandelt Stimmen in NFTs, erfand eine Kryptowährung namens Vox Coin und entwickelt die Dating-App Singlr, bei der sich Menschen über ihre Stimme kennenlernen. In ihrem neuen Projekt verbindet Lixenberg Franz Schuberts „Erlkönig“ mit künstlicher Intelligenz, Gesang und Tanz.

Haben Sie sich schon immer für neue Technologien interessiert?

Loré Lixenberg

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Ich habe mich immer für Neues interessiert: neue Musik, neue Komponisten, neue Arten zu singen. Mit neuen Technologien beschäftige ich mich noch nicht so lange. Mein Vater war Radaringenieur bei der Zivilluftfahrtbehörde. Um sich fortzubilden, besuchte er einen Kurs in Programmieren. Ich kann mich noch erinnern, wie kompliziert die Sprachen waren, die er lernen musste. Mittlerweile ist alles sehr benutzerfreundlich. Man muss kein Computernerd mehr sein, um damit arbeiten zu können.

Was fasziniert Sie an „Performing Utopia“, der KI-Oper von Alien Productions?

Wie die digitale und die analoge Welt interagieren. Sängerinnen und Sänger aus Fleisch und Blut interpretieren ein Werk, das von einer künstlichen Intelligenz geschaffen wurde. Die Musik, die wir hören, sollte einen Bezug zu unserer Lebensrealität haben. Die letzten Opern, die ihre Zeit spiegelten, entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts: „Pierrot Lunaire“ von Arnold Schönberg und „Lulu“ von Alban Berg. Die Oper hat als kommunikatives Medium so viel Potenzial. Es gibt mittlerweile unendlich viele Möglichkeiten, mit Klängen und Bildern zu experimentieren. Ich arbeite fast ausschließlich mit elektronischen Klängen, weil ich mich damit freier bewegen kann als mit analogen Instrumenten.

Was sehen Sie in dieser Oper?

Die Botschaft ist, dass es keine Botschaft gibt. Ich finde, dass das Stück vielmehr eine gewisse Atmosphäre erzeugt, die dazu einlädt, sich in eine Zukunftsutopie hineinzuversetzen. Man könnte den Titel „Performing Utopia“ auch mit einem Augenzwinkern betrachten: Vielleicht ist das gar keine Utopie, sondern vielmehr die Zukunft, auf die wir zusteuern. Was den Einsatz von künstlichen Intelligenzen betrifft, erwarte ich nichts Gutes. Künstliche Intelligenz wurde von Menschen geschaffen, also läuft es letztendlich darauf hinaus, damit Geld zu verdienen oder Kriege zu führen.

Kann das Werk einer künstlichen Intelligenz Emotionen auslösen?

Beim Wort „Emotion“ bin ich immer vorsichtig, weil es überall so viele falsche Emotionen gibt, auch in der Musik. Wenn Menschen Musik machen, entsteht, glaube ich, immer ein Gefühl von Empathie zwischen dem Künstler und dem Publikum. Für mich ist es wichtig, berührt zu werden. Bei „Performing Utopia“ hatte ich das seltsame Gefühl, mit der künstlichen Intelligenz verbunden zu sein. Das hat mich irgendwie berührt. Wir neigen dazu, alles zu vermenschlichen. Im Zusammenhang mit Maschinen kann das gefährlich sein.. ● ○