Es war nicht alles schlecht im Dorf, denke ich. Selbst habe ich nie in einem richtigen Dorf gelebt. Fast alles, was ich über das Dorf weiß, weiß ich von Weggegangenen, vom Hörensagen, vom Nachlesen. Geprägt haben meinen Blick zuallererst die Besuche, die endlosen Sommerferien an der Grenze zum Eisernen Vorhang auf den Höfen meiner Großmütter.
Während meine Eltern, ein Lehrerpaar, in ihren großen Ferien auf den Feldern ihrer Eltern schufteten, bedeuteten diese Wochen für mich und meinen jüngeren Bruder Natur und nahezu grenzenlose Freiheit. Hie und da kamen wir Kinder mit der Dorfgemeinschaft in Kontakt. Das Gerede und Gemauschel konnten wir als Auswärtige aber ignorieren. Warum meine Eltern am Ende einer jeden Ernte froh waren, selbst nicht mehr in der Enge des Dorfes zu leben und in die Anonymität einer ländlich geprägten Vorstadtsiedlung zurückkehren zu können, verstand ich damals nicht. Erst später ließ mich Literatur die als Kind empfundene Idylle überdenken.