Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser!


In diesem Heft nehmen wir die kulturelle Nahversorgung in den Blick. Wir recherchierten, wie avantgardistische und hochkarätige Kunst in Dörfer und kleine Gemeinden kommt. Dafür trafen wir enthusiastische Menschen, die Konzerte auf Seebühnen organisieren, ein Theater in einem 300-Einwohner-Ort betreiben, mit einem Lastkrafttheater durch die Lande ziehen und klassische Musik ins Dorf bringen.

Der Schriftsteller Thomas Sautner legte kürzlich mit seinem Roman „Nur zwei alte Männer“ ein sprühendes und kluges Plädoyer für lebenslange Offenheit gegenüber dem Anderen, Ungewohnten, Neuen vor. Für unser aktuelles Heft interviewte er Peter Coreth, der seit Jahrzehnten die Kulturbrücke Fratres an der Grenze zu Tschechien betreibt. Er fragte ihn, was es bedeute, wenn viele von uns sich in ihre Nationalstaaten zurück­ziehen. Coreths Antwort: „Enge. Provinzialität. Stagnation. Unsere Hoffnung kann nur sein, uns in diesem weiterhin offenen Europa eine heimatschaffende Regionalität fernab von Feindbildern zu erarbeiten, eine Regionalität, die nichts zu tun hat mit nationalen Grenzen und Chauvinismus.“

In dem Gespräch, das wie immer bei Sautner ziemlich ins Philosophische geht, bringt der verdienstvolle Anthropologe recht gut eine meiner Leitlinien für morgen auf den Punkt: regional zu sein – aber nicht provinziell. Betrachten, was sich in Niederösterreich tut – aber den Blick dabei auch nach außen richten. Offen sein gegenüber dem Neuen und vermeintlich Fremden – denn sonst kocht man bald im eigenen Sud. Und das ist nicht nur langweilig, sondern kann auch gefährlich werden.

In diesem Heft nehmen wir die kulturelle Nahversorgung in den Blick. Wir recherchierten, wie avantgardistische und hochkarätige Kunst in Dörfer und kleine Gemeinden kommt. Dafür trafen wir enthusiastische Menschen, die Konzerte auf Seebühnen organisieren, ein Theater in einem 300-Einwohner-Ort betreiben, mit einem Lastkrafttheater durch die Lande ziehen und klassische Musik ins Dorf bringen – wie die Komponistin Johanna Doderer, die in Sitzendorf bei Hollabrunn ein fantastisches Festival für Klassik organisiert. Ihr widmen wir diesmal unser Special, in dem Doderer meiner Kollegin Miriam Damev unter anderem erzählt, was sie für ihr diesjähriges hören:sitzen­dorf plant.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen unseres Heftes! ● ○

Herzlichst
Ihre Nina Schedlmayer