Johannes Hoss
Johannes Hoss

Alina Schaller

Die Eisbrecherin


Hier kommt die Zukunft: An dieser Stelle präsentieren wir in jeder Ausgabe Kunstschaffende in und aus Niederösterreich, die jünger als 35 Jahre sind. Diesmal: die Schauspielerin Alina Schaller.

„Ich begann sehr jung mit der Schauspielerei. Damals war ich um die acht Jahre alt und noch ziemlich schüchtern. Durch das Theater konnte ich in verschiedene Fantasiewelten eintauchen, es gab mir einen Selbstbewusstseins-Push. Erst später nutzte ich die Schauspielerei als Werkzeug, um neue Lebensrealitäten kennenzulernen.“

Das erzählt Alina Schaller. Sie ist gerade erst 25 Jahre alt und eroberte bereits die Bühne des Tribeca Film Festival in New York. Im neuesten Film der Regisseurin Clara Stern, „Breaking the Ice“, spielt sie zum ersten Mal die Hauptrolle auf der großen Kinoleinwand. Als Hauptfigur Mira erforscht sie neue Gewässer, unter anderem ein Tabuthema in Österreich: queere Liebe. Ein Sujet, das ihrer Meinung nach noch mehr in den Fokus gerückt gehört.

Ihre Fähigkeit, durch ihr schauspielerisches Handwerk neue Themengebiete zu entdecken, erwies sich auch zu Pandemiezeiten als sehr praktisch. Zusammen mit ihrer Theatergruppe Kollektief hat sie sich die Frage gestellt, wie Kunst im öffentlichen Raum nach dem Lockdown aussehen könnte. Im Rahmen des Litschauer Theaterfestivals Hin und Weg suchte Kollektief nach Antworten. 14 Tage lang lebte das Theaterensemble in separaten Glasboxen und ließ sich von der Außenwelt beschauen.

„Ich erfuhr durch dieses Projekt sehr viel Liebe von außen. Wir mussten in diesen zwei Wochen das Bild, das man von sich selbst hat, ablegen. Dabei waren wir sehr angreifbar und höchst verletzlich. Es war ein One-on-One zwischen Publikum und Künstler*in und zugleich ein sozialer Versuch, Kunst sehr nahe zu bringen. Außerdem haben wir untereinander ein sehr starkes Zusammenhaltsgefühl aufgebaut und mussten einander sehr stark vertrauen.“

Durch das performative Projekt „Bitte nicht berühren“ wurde die junge Purkersdor­ferin sich einer Sache bewusst: Kunst ist systemrelevant und lebenswichtig. Die Spaltung, die Mehrfachbelastungen und der Verlust, den die Pandemie mit sich brachte, drängten Schaller, einen Rückzugsort in der Kunst zu finden. Die Kunst gewann für das Schauspieltalent einen hohen Stellenwert.

Nun, drei Jahre nach dem ersten Lockdown, plädiert der „Breaking the Ice“-Star für mehr Förderungen in der österreichischen Kunstszene – vor allem brauchten Darstellerinnen mehr Unterstützung in der Filmbranche. „Es gibt unglaublich inspirierende Menschen und sehr spannende Personen in Österreichs Filmszene, aber auch einige Schwierigkeiten. Vieles gehört noch getan. Es gibt kaum eine Kollegin, die nicht mit Sexismus konfrontiert war“, sagt Alina Schaller über die heimische Filmindustrie. Dennoch bleibt sie optimistisch und begrüßt auch die Veränderungen, die die #MeToo-Debatte hervorgebracht hat – beispielsweise die Einsetzung von Intimitätskoordinatorinnen und -koordinatoren am Set.

Was Schallers eigene Zukunft betrifft, hat sie einige schöne Projekte in petto, die sie noch nicht bekannt geben darf. Fest steht, dass sie nach ihrem New-York-Besuch mit „Breaking the Ice“ auch weiter die Welt bereisen wird. ● ○