Christina Gansch
Kartal Karagedik
Christina Gansch

Gansch

Mozart am Bauernhof


Hier kommt die Zukunft: An dieser Stelle präsentieren wir in jeder Ausgabe Kunstschaffende in und aus Niederösterreich, die jünger als 35 Jahre sind. Diesmal: Christina Gansch.

Es ist ein spätsommerlicher Septembernachmittag. Christina Gansch sitzt beim Zoomgespräch mit morgen in ihrer St. Pöltner Wohnung. Hinter ihr, an der Wand, hängt eine große Landkarte der Britischen Inseln – England war, wie sie sagt, lange Zeit ihr zweites Zuhause: „Ich habe in London studiert, hier meine Karriere gestartet und meinen Mann kennengelernt.“ Jetzt ist die 31-jährige Sopranistin auf Kurzbesuch in ihrer Heimat. In ein paar Tagen geht es wieder nach London, wo sie am Royal Opera House als Pamina in Mozarts „Zauberflöte“ auftritt, eine ihrer Paraderollen. Überhaupt hat Mozart es der Sopranistin angetan. Die Papagena sang sie bereits an der Opéra national de Paris; 2014 debütierte sie, damals war sie gerade mal 24, im Theater an der Wien als Barbarina in „Figaros Hochzeit“. Prägend war vor allem die Arbeit mit dem Dirigenten Nikolaus Harnoncourt: „Er hat uns zu sich nach Hause eingeladen und zwei Tage über das Stück gesprochen. Ein großes Glück.“

Es ist auch ein bisschen Mozarts Schuld, dass Christina Gansch überhaupt zu singen begann. „Als kleines Mädchen hatte ich eine Schallplatte mit der ‚Zauberflöte‘ für Kinder. Ich spielte sie jeden Tag rauf und runter.“ Das musikalische Talent, sagt sie, kommt von ihrem Großvater mütterlicherseits, der ein passionierter Hobbymusikant war. Und so gab es neben Mozart die Volksmusik des Opas, das Klavier, Ballett und mit acht den ersten Gesangsunterricht an der Musikschule in ihrer Heimatgemeinde Kirchberg an der Pielach. Hier wuchs sie auf einem Bauernhof auf – eine unbeschwerte Kindheit im Grünen, wo sie sich frei entfalten konnte.

Nach einer Ausbildung am Konservatorium für Kirchenmusik in St. Pölten ging Gansch ans Salzburger Mozarteum. Ihr Studium an der Royal Academy of Music in London schloss sie mit Auszeichnung ab. 2013 feierte sie ihr internationales Bühnendebüt – als Amor in Glucks „Orfeo ed Euridice“ im südfranzösischen Montpellier. In London entschloss sie sich definitiv, Sängerin zu werden. „Als ich für ein Vollstipendium vorgesungen und noch am selben Tag die Zusage bekommen habe, wusste ich, dass ich meinen Plan B, nämlich Deutsch und Philosophie zu studieren, nicht mehr brauche.“ 2015 kehrte Christina Gansch als Teilnehmerin des Young Singers Project nach Salzburg zurück und sang in der Neuproduktion von Mozarts „La clemenza di Tito". Am Pult stand Teodor Currentzis, der von der klaren, strahlenden Stimme Ganschs begeistert war und sie vom Fleck weg als Zerlina für seine Don-Giovanni-Einspielung engagierte. Seither eroberte Gansch einige der wichtigsten Bühnen, darunter die San Francisco Opera, die Mailänder Scala, die BBC Proms oder das Glyndebourne Festival, wo sie 2019 als Mélisande in Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“ debütierte.

Kurz vor dem ersten Corona-Lockdown wurde Christina Gansch schwanger und zog mit ihrem Mann, dem britischen Bariton Henry Neill, nach St. Pölten. Um Geld zu verdienen, jobbte Neill in einem Krankenhaus, und die beiden verbrachten zusammen mit Baby Alexander die meiste Zeit auf dem elterlichen Bauernhof. Sie nutzten die Zeit, um neue Rollen einzustudieren und Kraft zu tanken.

Nun steht Gansch wieder auf der Bühne. Mittlerweile ist der Kalender wieder gut gefüllt. Im Dezember wird die verschobene „Zauberflöte“ in Nancy nachgeholt, 2022 geht es nach San Francisco – und die steile Karriere weiter. ● ○