Kann etwas, das in der Stadt gut läuft, ebenso am Land funktionieren? Das ist keineswegs ausgemachte Sache. Schließlich ticken da wie dort die Uhren anders. Doch wieso sollte man es nicht wagen?
In der Wiener Vinzenzgemeinschaft St. Stephan kursierte schon länger die Idee, einen Ableger im ländlichen Raum zu eröffnen. In Wien war der Verein, 2003 von Cecily Corti gegründet, bereits durchaus erfolgreich. Das bekannteste Projekt, die Vinzirast-mittendrin, über die sogar internationale Medien berichteten, entstand aus den Uni-Protesten 2009: Heute wohnen Obdachlose und Studierende unter einem Dach, in gemischten WGs – ein zunächst scheinbar einmalig weltfremdes Projekt. Ein Student hatte ein renovierungsbedürftiges Biedermeierhaus an der Ecke Währingerstraße/Lackiererstraße entdeckt, das der Unternehmer Hans Peter Haselsteiner für die Vinzirast kaufte. Alexander Hagner und Ulrike Schartner von Gaupenraub +/- bauten es zu einer sozialen Interaktionsplattform erster Güte aus. Das Eckhaus in Uninähe lockt eine Randgruppe aus den Schattenzonen der Stadt mitten ins Zentrum. Am Bau beteiligten sich Professionistinnen und Professionisten, Ehrenamtliche und Obdachlose. Hagner forderte seine Rolle als Vor- und Sozialarbeiter, Baustellenkoordinator und Architekt in Personalunion bis an die Bruchgrenze, wie er morgen erzählt. Aus dem verwaisten Kinderwagengeschäft im Erdgeschoß wurde das Lokal mittendrin, darüber leben in zehn gemischten WGs insgesamt 26 Obdachlose und Studierende. Das ausgebaute Dachgeschoß wird gern für Veranstaltungen gebucht, die Architektur oft publiziert und mehrfach ausgezeichnet.