Barbara Maria Neu
Laura Ettel
Barbara Maria Neu

Neu

Motorsäge und Musik


Hier kommt die Zukunft: An dieser Stelle präsentieren wir in jeder Ausgabe Kunstschaffende in und aus Niederösterreich, die jünger als 35 Jahre sind. Diesmal: Barbara Maria Neu.

„Liebe in allen Facetten“: Das habe sie zum Thema ihrer künstlerischen Arbeit erkoren, erzählt Barbara Maria Neu. Sie sitzt in ihrer Wiener Wohnung, der Notenständer ist in Griffnähe. Die Klarinettistin und Performancekünstlerin will mit ihrer Kunst positive Stimmungen ausdrücken und: „Sachen, die mich wirklich beschäftigen“. Eine davon ist das klischeehafte Rollenbild von Bäuerinnen, mit dem es für die gebürtige Mostviertlerin zu brechen gilt. Neu wuchs auf einem Ziegenbauernhof in Ardagger auf und sah an ihrer Mutter, dass Frauen nicht nur in der Küche stehen und Kinder hüten, sondern auch mit der Motorsäge anpacken und die Landwirtschaft schupfen. Diese Erfahrung hat sie in ihrem Solodebüt mit dem Titel „Stalltänze“ verarbeitet, in dem sie zu Kompositionen von Petra Stump-Linshalm auf künstlerisch-musikalische Weise die Arbeitsschritte einer Bäuerin beschreibt. 

Das Debüt, von dem es eine Video- und eine Bühnenversion gibt, präsentierte die Künstlerin 2020 erstmals in Ardagger. Fast wäre sie Bäuerin am Familienhof geworden. Doch die Musik war wichtiger: Mit sieben Jahren hörte sie in der örtlichen Musikkapelle jemand Klarinette spielen und lernte das Instrument daraufhin selbst. Schließlich trieb es sie zur musikalischen Ausbildung nach Waidhofen an der Ybbs, dann an die Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz, weiter an die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und die Kunstuniversität Graz. Dort studiert sie seit 2016 bei Gerald Pachinger, Mitglied der Wiener Symphoniker, das Konzertfach Klassische Klarinette. „Ich wollte zunächst Orchestermusikerin werden. Doch ich merkte schnell, dass es noch etwas anderes für mich gibt“, erklärt sie. 

Früh interessierte sie sich auch für Schauspiel. Beim Vorsprechen am Max Reinhardt Seminar kam sie ins Finale. „Im Nachhinein bin ich froh, dass ich nicht aufgenommen wurde“, erzählt sie. Während des Bewerbungsprozesses kam ihr nämlich die Idee, mit Performance das Repertoire zu erweitern und diese mit zeitgenössischer Musik zu verbinden. 2018 nahm sie die Wiener Akademie der bildenden Künste mit einer Skizze der „Stalltänze“ auf. Seither studiert Neu Performative Kunst bei Carola Dertnig. Um diese Zeit begann sie zudem, vermehrt mit anderen zu kollaborieren – in einer beeindruckenden Zahl von Formationen: Mit Saxophonistin Andrea Edlbauer vertont sie derzeit im Duo Annea „Rebenerzählungen“, mit dem Quintett Nea eröffnete sie 2020 das Ars Femina Festival in Amstetten, ihr Trio Olam Katan (Klarinette, Tuba und Schauspiel) befasst sich mit archetypischen Geschichten, und ihr neues Ensemble Merve interpretiert Literatur, insbesondere Märchen. Vorwiegend wirkt das Multitalent in weiblichen Teams: „Frauen sollten einander unterstützen. Es entwickelt sich eine andere Energie, wenn sie zusammenarbeiten.“ 

Energie bündeln will sie auch bei der Veranstaltungsreihe „Flatconcerts“, für die sie seit 2018 mit Künstlerin Lena Schwingshandl an wechselnden Orten Kreative aller Disziplinen zusammenbringt. Trotz Pandemie kommt Neu viel herum: Ende 2021 war sie für eine Performance in New York und beim Jazzfest Berlin. Ihre Verbindung zur Musikszene im Mostviertel besteht weiterhin, schwärmt sie doch von deren Vielfalt zwischen Punk und Volksmusik. Bei aller Bandbreite ihres Tuns bleibt ihr die klassische Musik wichtig. Dass diese ein verstaubtes Genre sei, ist noch so ein Klischee, mit dem Neu aufräumt. Tradition lasse sich durchaus mit frischen Zugängen verbinden: „Das kann ein wunderbares Neues ergeben.“ ● ○