Das Werk des in Sarajevo geborenen Schriftstellers Miljenko Jergović ist überaus vielfältig: Es reicht von Lyrik bis zu journalistischen Arbeiten, von Sportkommentaren bis zur Erzählprosa. Durch seine Storys und Romane ist Jergović auch einem deutschsprachigen Publikum vertraut. Seine Werke „Sarajevo Marlboro“, „Die unerhörte Geschichte meiner Familie“ und zuletzt „Der rote Jaguar“ sind Bestandteil eines Kanons postjugoslawischer sowie europäischer Literatur. Die Einladung des Autors zu den Europäischen Literaturtagen und insbesondere die Verleihung des diesjährigen Ehrenpreises des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln erscheint mir ein richtiger, ermutigender und eben auch mutiger Schritt – nicht zuletzt angesichts einer Gegenwart, in der auch die Literatur zunehmend mit Verordnungen des vermeintlich Richtigen zu kämpfen hat.
Biografien, egal ob faktisch oder zugeschrieben, werden für wichtiger genommen als fordernde Inhalte, anspruchsvolle künstlerische Strategien scheinen nicht mehr zeitgemäß oder gar anrüchig, künstlerische Inhalte werden, dem Zeitgeist entsprechend, kommentarlos verändert. Recht evidenzbefreit wird einer im Kern unehrlichen Konfliktkultur das Wort geredet, die eher auf homogene Textproduktion und moralischen Mainstream setzt denn auf echten Dialog und Ausverhandlung. Ambivalenzen oder Uneinigkeit dürfen, so der Eindruck, nicht bestehen, denn der Ausgang der Debatten scheint immer schon vorvereinbart und präfiguriert. Dabei kommt nicht nur die erwähnte Ästhetik unter die sprichwörtlichen Räder, sondern auch das Moment der Kritik, das sich potenziell aus der Literatur schöpfen lässt.