Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser!


Was Menschen wie Fittko damals machten und andere heute, genau jetzt tun, etwa Menschen, die im Iran oder in Russland gegen ihr Regime auf die Straße gehen: Das kann man als Bürgerin eines demokratischen Landes nur bewundern.

„Als Helden haben wir uns nie betrachtet.“ Diesen Satz sagte Lisa Fittko 1984 in einem Interview. Die Widerstandskämpferin schmuggelte mit ihrem Mann Hans Anfang der 1940er-Jahre zahlreiche Personen, darunter auch den Philosophen Walter Benjamin, über die Pyrenäen – aus dem von Hitlerdeutschland besetzten Frankreich nach Spanien, von wo aus Flüchtlinge weiter nach Portugal reisen konnten. In ihren Erinnerungen „Mein Weg über die Pyrenäen“ erzählt Fittko atemberaubende Geschichten. Woher sie den Mut nahm, sich in höchste Gefahr zu begeben, um anderen zu helfen? Darüber schreibt sie nicht in ihrem Buch. Offenbar machte sie sich darüber keine großen Gedanken. Was Menschen wie Fittko damals machten und andere heute, genau jetzt tun, etwa Menschen, die im Iran oder in Russland gegen ihr Regime auf die Straße gehen: Das kann man als Bürgerin eines demokratischen Landes nur bewundern. Und sich fragen, ob man selbst nicht dort oder da couragierter handeln muss – gerade heute. Wie immer erörtern wir das Thema unseres aktuellen Heftes im Rahmen eines Round-Table-Gesprächs. Meine Kollegin Karin Cerny lud Festivalleiter Albert Hosp, Filmproduzentin Sabine Moser sowie Volkstheater-Intendanten Kay Voges ein, um Fragen wie diese zu diskutieren: Wie mutig kann Kunst in Zeiten von enger werdenden Budgetvorgaben überhaupt sein? Wie sehr bestimmt das Diktat von Besucherzahlen künstlerischen Wagemut? Die Runde kam zu überraschenden Ergebnissen (ab Seite 10). Das Herzstück unseres Hefts bildet dieses Mal ein Festival, das sich über die Jahre als ein international relevanter Fixstarter im Kulturherbst bewährt hat: die Europäischen Literaturtage in Krems, bei denen alljährlich der Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln verliehen wird. Dieses Jahr erhält ihn der in Zagreb lebende Miljenko Jergović, über den sein Kollege Thomas Ballhausen einen klarsichtigen Essay für morgen verfasste (ab Seite 39).

Wie immer: viel Freude beim Lesen!● ○

Herzlichst

Ihre Nina Schedlmayer