© Luiza Puiu
© Luiza Puiu

Statements

Eintritt lebensgefährlich


Die Ausstellung „Kind Sein“ ist nicht nur samstags und sonntags, sondern auch unter der Woche gut besucht.
Dann kommen viele Schulkinder, die vom Vermittlungsteam der Schallaburg begleitet werden. Welche Exponate ziehen das kindliche und das erwachsene Publikum besonders an, von welchen erzählen jene Personen, die die Ausstellung täglich den Besucherinnen und Besuchern näherbringen? Und was haben diese mit ihrem eigenen Leben zu tun? Wir fragten nach – und erfuhren mehr über einen Schummel­zettelkasten, riesige Figuren, ein uraltes Puppenhaus, einen Film sowie eine sehr spezielle Tür.

Beim Reingehen in den Raum dachte ich mir: Boah, ist das cool! Ich kann mich nämlich noch daran erinnern, wie das als ganz kleines Kind zu Hause alles ausgeschaut hat. Meine Eltern, der Esstisch, der Fernseher, die Küchenkastln – alles ist mir so riesig vorgekommen. Ich habe mich damals aber nicht davor gefürchtet, obwohl ich ja so klein war. Ich kann mich auch noch erinnern, wie es ist, wenn man zu klein ist, um Dinge zu erreichen. Man muss um Hilfe fragen, oder man klettert wo rauf, um sich zum Beispiel ein Glas zu holen. Cool finde ich in dem Raum auch diese riesige Steckdose. Da müsste auch das Handy dazu riesig sein. Das wäre aber unpraktisch. Handy habe ich bis jetzt noch keines. Aber bald. In den Ferien bekomme ich eines. Wie weit meine Erinnerungen zurückgehen?

Boah, ist das cool!

Ich weiß noch Sachen, da war ich ungefähr ein, zwei Jahre alt. Das Früheste ist: Ich bin im Kinderwagen gesessen und mein Papa ist mit mir spazieren gegangen. Heute bin ich natürlich schon viel größer, aber ich kann mir das trotzdem noch nicht vorstellen, wie es sein wird, wenn ich richtig groß bin. Vielleicht werde ich so wie mein Papa. Der misst 1,73 Meter. Als Kind geht es mir gut. Nur Autofahren darf ich leider noch nicht. Am meisten freue ich mich beim Erwachsensein darauf, dass ich dann ein Auto haben werde. Und wenn man groß ist, darf einem niemand mehr was anschaffen.

Es ist unglaublich, wie sich das Spielzeug entwickelt hat und mit welch einfachen Mitteln Kinder sich früher beschäftigten. Heute glaubt man, es braucht unheimlich viel und überschüttet die Kinder damit. Dieses Exponat, ein Film, zeigt für mich auf faszinierende Weise die Veränderung in diesem Bereich. Kinder müssen sich vor 200 oder 300 Jahren ganz anders gefühlt haben. Wäre ich damals gerne Kind gewesen? Wenn, dann bitte ein adeliges. Ich glaube, die Zeiten waren ziemlich hart. Als Mutter kaufte ich natürlich schon einiges an Spielzeug. Mein Sohn hatte vor allem Lego. Er war immer schon sehr kreativ. Damals war es üblich, dass andere Kinder zum Spielen kamen. Fast jeden Tag waren sechs davon aus der ganzen Nachbarschaft im Haus. Bei uns war der Treffpunkt. Sie haben auch noch viel draußen gespielt. Mein Sohn ist Jahrgang 1984 und war noch kein Computerkind, das ist bei uns erst später gekommen. Bei meinen Enkelkindern ist es heute ganz anders. Ich musste bei meinem Sohn nicht mitspielen, bei ihnen ist es schon so. Sie spielen auch wenig gemeinsam. Ich selbst bin mit fünf Geschwistern am Land aufgewachsen und war im Winter von der Früh bis zum Abend Schlitten fahren.

Die Zeiten waren ziemlich hart.

Ein Maurerbock war mein Pferd. Ich muss aber zugeben: Als Oma bin ich mitschuldig, dass meine Enkelkinder wahnsinnig viel Spielzeug haben. Meinem Sohn gefällt das gar nicht. Da bin ich gerade in einer Lernphase. Man schenkt heute anders. Zum Beispiel dürfen die Kinder ein paar Tage zu den Großeltern kommen oder wir machen einen Ausflug mit ihnen.

Ich finde dieses Objekt großartig: Ein Lehrer der HTL Saalfelden hat von den 1980er-Jahren an alle Zettel von Schülern aufgehoben, die er beim Schummeln erwischt hat. Seine gerahmte Sammlung hängt sonst dort in der Schule – wahrscheinlich im Lehrerzimmer – und ist derzeit als Leihgabe in unserer Ausstellung. Beeindruckend finde ich, wie professionell und kreativ die Kinder und Jugendlichen vorgehen. Auch Schummeln will gelernt sein. Das sind extrem detaillierte Sachen, in winziger Schrift zu Papier gebracht. Teilweise könnte man sie wahrscheinlich als Schularbeit abgeben. Neben Zetteln sind auch Schummeleien auf Taschentüchern, Linealen, Mineralwasserflaschen und Schlapfen enthalten. Bei Führungen sage ich den Kindern, dass ich als Schülerin auch geschummelt habe. Allerdings brauchte ich die Zettel bei den Schularbeiten und Tests meist gar nicht mehr, weil die Dinge durch das Aufschreiben bereits in meinem Kopf waren. Ich glaube, für viele ist es eine Absicherung, um im Fall eines Blackouts etwas in der Hand zu haben. Dann kann man darauf zurückgreifen. Wirklich alle erwachsenen Besucher, die vorbeigehen, schmunzeln darüber.

Schummeln will gelernt sein.

Erinnerungen an die eigene Schulzeit kommen hoch, und die Leute beginnen zu erzählen. Letztens hatte ich einen Lehrer in der Führung. Er erzählte, dass er nach einem Test ein Experiment machte. Er hat sich umgedreht und wollte, dass die Schüler ehrlich alle Schummelzettel auf den Tisch legen. Anonym, ohne Konsequenzen. Ein Berg voller Zettel ist auf seinem Tisch gelandet. Es wird also immer noch geschummelt.

Dieses Puppenhaus ist über 100 Jahre alt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es damals war. Mit so einem Haus hätte ich auch gerne gespielt, wobei manche Figuren schon ein bisschen gruselig sind. Es schaut ganz anders aus als Puppenhäuser heute. Vielleicht hatte meine Oma so etwas zum Spielen. Was mich daran fasziniert? Ich finde es einfach cool, weil es so alt ist. Und trotzdem gibt es das noch. Heute werden viele Sachen einfach weggeschmissen, wenn sie alt oder kaputt sind. Ich spiele in meiner Freizeit viel und gehe auch gerne raus. Die meisten in meiner Klasse haben schon ein eigenes Handy, ich noch nicht. Aber bald bekomme ich eines. Ich glaube aber, dass ich auch dann noch mit anderen Sachen spielen werde. Das Schönste am Kindsein ist für mich, dass man alles sagen kann, was man denkt. Als Erwachsener ist das nicht mehr so leicht. Zum Beispiel darf man als Kind sagen, wenn einem etwas nicht gefällt. Viele Erwachsene trauen sich das nicht mehr, sonst sind die anderen Erwachsenen beleidigt.

Manche Figuren sind ein bisschen gruselig.

Sehr gut gefallen hat mir in der Ausstellung auch der Raum, in dem alles so riesig ist. Da fühlt man sich wieder ein bisschen wie ein Kleinkind. Ich erinnere mich noch daran, als meine kleine Schwester auf die Welt gekommen ist und ich sie zum ersten Mal gesehen habe. Das ist meine allererste Erinnerung.

Ich bin auf der Burg Clam aufgewachsen und habe 1971, ungefähr im Alter von 13 Jahren, diese Tür bemalt. Das kam so: Ich habe eine Zwillingsschwester. Zuerst hatten wir zusammen ein Kinderzimmer. Als wir größer geworden sind, bekam jeder sein eigenes Jugendzimmer. Das ehemalige Kinderzimmer – ein großer Raum in der Burg – verwendeten wir von da an zum Spielen. Die Eltern schauten immer nach, was uns sehr gestört hat. Darum habe ich eines Tages den Spruch „Eintritt lebensgefährlich“ darauf geschrieben. Später war das unser erster Partyraum. Die Eltern hielten sich übrigens daran und kamen nicht mehr rein. Auch als Kind braucht man eine Tabuzone. Einen Platz, wo man in Ruhe gelassen wird. Ähnliche Zeichnungen und Schriftzüge findet man oft. Der Kurator der Ausstellung war einmal mit mir auf der Burg Clam, sah die Tür und sagte, dass er sie unbedingt für „Kind sein“ haben will. Es handelt sich übrigens um eine Renaissancetür. Sie symbolisiert den Übergang von der Kindheit zur frühen Jugend. In dem Raum sind heute noch lustige Malereien und Sprüche aus der Zeit erhalten: „Make Love, Not War“ und „Peace!“

Ich habe diese Tür bemalt

Das war eben Anfang der 1970er-Jahre, würde heute aber auch wieder passen. Für mich ist es bei Führungen lustig, wenn ich am Ende des Rundgangs vor meinem eigenen Kunstwerk stehe. Es ist ein beliebtes Fotomotiv. Als Kulturvermittler ist es besonders schön, mit Kindern zu arbeiten. Es ist immer was los. Wirbel! Ich mag das.