Standpunkte

Wer gestaltet die Zukunft?


In jeder Ausgabe stellt morgen drei Menschen, die sich auskennen, eine Frage. Diesmal:

Wir als Gesellschaft müssen uns einbringen

Unsere Zukunft hängt von großen solidarischen Lösungen ab. Daher kann ihre Gestaltung nicht allein in den Händen irgendwelcher Lenkerinnen und Lenker liegen. Wir als Gesellschaft – also idealerweise wir alle – müssen uns mehr denn je bei der Zukunftsgestaltung einbringen. Und wir müssen dort und bei jenen anfangen, wo die längste Zeit die größten Privilegien genossen wurden.

Dabei geht es vor allem um Gestaltung, die sich in Gedanken, Zeichen und Symbolen manifestiert. Wir brauchen Mittel, wie wir die Gesellschaft dazu bringen, sich als Mitgestalterin zu sehen anstatt Verantwortungen abzuwälzen. Hier geht es nicht nur um Umweltfragen, sondern beispielsweise auch darum, Solidarität zu zeigen und Signale gegen rückschrittliche Gesellschaftspolitik wie etwa derzeit in Ungarn und Polen zu setzen.

Ein Mittel der Gestaltung ist auch die Rebellion. Sie kann sich äußern, indem man sich als Designschaffende den Unternehmenswünschen nach geplanter Obsoleszenz entzieht und nicht die ständige Schaffung neuer Begehrlichkeiten befeuert. Die Designwelt zeigt auf, was in Zukunft nötig ist. Seit einer Dekade gestalten viele Designerinnen und Designer die Zukunft durch bewusstseinsbildende Instrumente und Handlungsanweisungen. Auch Protest ist eine besonders interessante Form der Zukunftsgestaltung, wie zum Beispiel Fridays for Future oder Extinction Rebellion zeigen, die mit ihren visuellen Botschaften übrigens auch einem klassischen gestalterischen Prinzip folgen.

Lilli Hollein
Stefan Olah
Lilli Hollein

Die Entwicklung geht zu langsam

Bauen hat einen sehr großen Einfluss auf unsere Zukunft. Nach der zweiten Ölkrise entstand das Bewusstsein, dass unsere Ressourcen begrenzt sind. Mir wurde klar, dass wir uns die Zukunft verbauen, wenn wir weitermachen wie bisher. Schon in meinem ersten Bauprojekt in Purkersdorf 1982 bis 1984, in dem ich selbst wohne, ging es mir nicht nur um gesünderes Bauen, sondern auch um Ressourcenschonung.

Für mich spielt die Sonne als erneuerbare Energiequelle eine sehr wichtige Rolle. Ich bin überzeugt: Es muss eine Kreislaufwirtschaft entstehen; Erneuerung, Flexibilität und Recycling müssen immer mitgedacht werden. Deshalb arbeite ich beispielsweise an einem Forschungsprojekt mit: Dabei geht es darum, dass durch die vollständige Dokumentation aller Bauteile sämtliche Materialien später wiederverwendet werden können.

Mir geht die Entwicklung aber zu langsam. Ein Beispiel: Beim Projekt „Wohnen im ehemaligen Gaswerk Leopoldau“ wollten wir mit Foto­voltaikstrom Wasserstoff erzeugen, diesen lagern und in den kalten Monaten verstromen. Die Wettbewerbsjury begrüßte die Idee, der Energieversorger fand aber, dass es „zu früh dafür“ sei, deshalb wird hier „nur“ Solarstrom erzeugt. 

 Ich versuche im Unterricht mein Wissen weiterzugeben. Aber wer heute studiert, baut erst in zehn bis zwanzig Jahren. Daher bin ich auch in Postgraduate-Studiengängen tätig. Auch wenn heute viel Greenwashing betrieben wird, glaube ich an wirkliche Lösungen. Gerne würde ich noch möglichst viel davon realisieren und auch erleben können.

Georg W. Reinberg
Georg W. Reinberg
Georg W. Reinberg

Gestaltung ist soziale Intervention

Jeder und jede von uns hat für eine lebenswerte Zukunft zu sorgen. Auf Expertinnen und Experten mit gestalterischem Know-how, wie sie an der New Design University studieren, trifft das besonders zu. Wir treiben daher nachhaltiges Gestalten voran und berücksichtigen in unseren Studiengängen Entwicklungen wie den Klimawandel, die Digitalisierung oder den demografischen Wandel. Dazu gehören viele Bereiche, zum Beispiel die Entwicklung ländlicher Räume. In einem Forschungsprojekt in Stetteldorf am Wagram untersuchen Studierende etwa, wie das Dorf aus architektonischer Sicht zukunftsorientiert gestaltet werden kann, sodass sich Menschen dort wohlfühlen. Ein anderes Projekt widmet sich der Nachnutzung leerstehender Industrie- und Betriebsgebäude.

Der nachkommenden Generation sind Menschen- und Umweltorientierung wichtiger als bloße Effektivität und Wirtschaftlichkeit. In unserem BWL-Studiengang Management by Design hören wir von den Bewerberinnen und Bewerbern zum Beispiel immer wieder, dass sie nie an einer Wirtschaftsuniversität BWL studieren würden, weil sie mit Gestaltungswissen ausgebildet werden wollen.

Unsere Studiengänge sind um den Markenkern der sozialen Intervention aufgebaut. Auch das Gestalten von Gebäuden und Räumen sehen wir als solche. Die Vorstellung von Gestaltung entwickelt sich immer mehr weg von Produkten. Die Gestalterinnen und Gestalter der Zukunft konzentrieren sich viel mehr auf Prozesse und berücksichtigen dabei soziale Kontexte stärker.

Herbert Grüner
Severin Wurnig
Herbert Grüner