Ein kleines Geschöpf schlummert in einem Nest aus Pelz. Tiefe Falten durchziehen seine Stirn; es wirkt jung und alt zugleich. Sein rosafarbener Körper ist schütter mit Haaren bedeckt. Wird ihm noch ein Fell wachsen? Die eigenartigen Ohren legen nahe, dass es sich hierbei um keine bekannte Spezies handelt.
In Patricia Piccininis Ausstellung (Untertitel: „Embracing the Future“), die aktuell in der Kunsthalle Krems läuft, darf das Publikum gleich zu Beginn ein lebensecht produziertes Wesen aus Silikon und Kunstharz angreifen und in den Arm nehmen, dessen Wimpern und winzige Zehen berühren. Die Skulptur löst Staunen und Rührung aus, aber auch Befremden und Unbehagen.
Die Kulturgeschichte kennt viele monströse Neugeborene. In Gaston Leroux’ Roman „Das Phantom der Oper“ von 1909 kommt der Titelheld schwer entstellt auf die Welt und wird später eine Maske tragen. Und in Roman Polanskis Horrorfilm „Rosemaries Baby“ funkelt der Sohn des Teufels aus furchteinflößenden Augen. Dennoch siegt in beiden Erzählungen die Mutterliebe über den Schrecken.
In Piccininis Ausstellung treffen wir auf freundliche Geschöpfe, die dennoch Ambivalenz bewirken. Da gibt es Figuren, die wie eine Kreuzung zwischen einer Robbe und einem Baby oder zwischen einem Biber und einem Buben aussehen. Überall dominiert rosa Fleischlichkeit, mit typischen Falten und Runzeln, aber auch befremdlichen Körperöffnungen. Im Bett, dem Ort größter Intimität, liegen plötzlich Wesen mit Krallen oder Flossen. Das Unschuldige trifft auf das Unheimliche.
Mit dem Untertitel ihrer Ausstellung, auf Deutsch: „Die Zukunft umarmen“, verweist die australische Künstlerin auf eine Zeit, wo solche Kreaturen Wirklichkeit werden könnten. Die moderne Biotechnologie ist dabei, Gegensatzpaare wie menschlich / tierisch, organisch / künstlich, lebendig / nicht lebendig aufzulösen. Piccinini führt in ein künstlerisches Labor der Vorstellungskraft, jedoch nicht zum Selbstzweck. Vielmehr stellt sie die brennende Frage: „Was werden wir mit diesen Möglichkeiten machen?“
Seit jeher bevölkerten groteske Erscheinungen die Kunst, seien es die Höllenwesen bei Hieronymus Bosch oder die Fantasiegestalten des Surrealismus. Die Gentechnik fand in den vergangenen 20 Jahren ihren Widerhall in der Kunst; diese nimmt die Wissenschaft zum Ausgangspunkt für utopische oder dystopische Szenarios. Vor dem Hintergrund ökologischer Krisen wie dem Artensterben gewinnt diese Auseinandersetzung an Brisanz.