Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser!


Wir gingen der Frage nach, wie Prognosen erstellt werden, welche Mobilität visionär ist, wie die Kunst in Zeiten des Posthumanismus die Zukunft der Körper reflektiert.

Eine Familie lässt Tag für Tag mittels Technologien eine real erscheinende Welt erstehen. Diese führt sie in die Ferne, etwa in afrikanische Steppen. Doch eines Tages verschmelzen das Analoge und das Virtuelle auf bedrohliche Weise miteinander. Da sind die Eltern schon an einem Punkt angelangt, an dem sie ihr vollautomatisiertes Haus – heute hieße es Smart Home – „abschalten“ wollen. Was bei den Kindern Wut hervorruft. Doch dem Vater reicht es: „Anstatt uns von den Maschinen beherrschen und dirigieren zu lassen, wollen wir jetzt wirklich leben.“ Die Angelegenheit nimmt ein übles Ende.

Der US-amerikanische Autor Ray Bradbury zeichnete in seiner Kurzgeschichte „Das Kinderzimmer“ ein düsteres Szenario von der Übermacht der Technologie, die drastisch in das Leben der Menschen eingreift. Er verfasste den Text 1951, und aus heutiger Sicht wirkt er visionär. Wie auch die Vorstellungen von Videotelefonie, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts in der Science-Fiction kursierten. Der Künstler und Medientheoretiker Peter Weibel wiederum erdachte 1967 eine Apparatur, die Lautsprecher, Film- und Fotokamera, Telefon und sogar einen Rasierer vereinte – bis auf Letzteres findet sich heute alles im Smartphone integriert. So ist in der Kunst häufig als Idee schon angelegt, was die Technologie erst später real entwickelt. 

Vorstellungen von der Zukunft schwanken zumeist zwischen dystopischen Katastrophenszenarien und utopischen Idealen. Wobei aktuell, so scheint es mir zumindest, Ersteres dominiert: Dass die Klimakrise die Welt bedroht, zeigt sich schon längst. Angesichts einer Pandemie, die jegliche Planung erschwert, wurde auch der Bevölkerung eines reichen EU-Landes wie Österreich bewusst, wie ungewiss Zukunft sein kann – eine Erfahrung, die Menschen in Krisenregionen Tag für Tag machen. 

Gerade deshalb dreht sich das aktuelle Heft um die Zukunft. Wir gingen der Frage nach, wie Prognosen erstellt werden, welche Mobilität visionär ist, wie die Kunst in Zeiten des Posthumanismus die Zukunft der Körper reflektiert. Unser Special gilt dem Donaufestival, schließlich ist es Garant für visionäre künstlerische Ansätze. Einen solchen pflegt auch Friedrich Cerha, der als Pionier der Neuen Musik stets seiner Zeit voraus war. Thomas Sautner stellte ihm in seinem Interview die Frage, wie junge Leute am besten die Zukunft meistern können. Cerhas Antwort: „Geschichte lernen. Denn was mir Sorge macht, ist das Vergessen. Dass die heutigen jungen Menschen die politischen Verhältnisse des vergangenen Jahrhunderts kaum mehr kennen. Geschichte ist aber wichtig für die Zukunft.“ ● ○

Herzlichst

Ihre Nina Schedlmayer