Standpunkte

Wird die Sommerfrische das neue Mallorca?


In jeder Ausgabe stellt morgen drei Menschen, die sich auskennen, eine Frage. Diesmal:

Große Chance für kleinere Regionen

Wer vor Corona gerne nach Mallorca oder auf die Malediven gereist ist, wird das wieder tun. Während der Pandemie haben plötzlich auch Menschen, die nicht so outdoor-affin sind, Ausflüge und Weekend-Touren in der Umgebung unternommen. Deshalb ist die Wiederbelebung der Sommerfrische aus meiner Sicht eine große Chance für kleinere Regionen und Ausflugsziele. Dabei ist aber nicht die Rede davon, sich wie vor 120 Jahren mit Kind und Kegel für den Sommer anderswo einzuquartieren. Vielmehr geht es bei der „neuen Sommerfrische“ um Ausflüge für einen Tag oder einen Kurzurlaub, bei dem Natur- und Kulturgenuss im Vordergrund stehen. Die „Landlust der Städter“ wurde wiedererweckt: Sie wünschen sich eine intakte Natur zum Wandern und Spazierengehen, gemütliche Einkehrangebote, Wasser als Erfrischungsmöglichkeit und das Gefühl, willkommen zu sein. Destinationen mit Wald, Flüssen, Teichen sowie Bewegungs- und Kulturangebot haben jetzt die Chance, an neue Kundenschichten zu kommen, die vorher daheim geblieben sind.

Doch wer jetzt erst beginnt, solche Angebote zu schnüren, ist zu spät dran. Man hätte ein Jahr Zeit gehabt, um Besuchersteuerung, Parkplatzbewirtschaftung sowie neue Erlebnisangebote zu planen und Infrastrukturen aufzustocken. Wir haben am Semmering gesehen, was passiert, wenn stadtnahe Ausflugsorte nicht auf Besucherströme vorbereitet sind. Niederösterreich hat viele potenzielle Sommerfrische-Regionen, die teils historisch schon bestanden haben – die aber, vor allem was Unterkünfte betrifft, den Sprung in die Gegenwart verpasst haben.

Reisewünsche werden sich nicht ändern

Wenn das uneingeschränkte Reisen wieder möglich ist, werden wieder so viele Urlaubsflugreisen gebucht wie zuvor, denn Mobilität, Abwechslung, Erholung und die Lust, Neues kennenzulernen sind menschliche Grundbedürfnisse – daran ändert auch die Pandemie nichts. Umfragen zeigen, dass sich die Reisewünsche der Österreicher nach der Krise im Vergleich zu vorher nicht ändern werden. Mehr noch: Global gesehen, ist weiteres starkes Wachstum an Passagieren zu erwarten.

Der enorme globale Fortschritt bewirkt, dass künftig viel mehr Menschen mit dem Flugzeug reisen werden. Bisher sind weniger als 20 Prozent der heute lebenden Menschen in einem Flugzeug gesessen. Ob regionaler Urlaub, Fernreise oder beides, kann und darf nicht von oben verordnet werden – auch wenn Leute, die selbst schon die ganze Welt bereist haben, fallweise meinen, Fliegen müsse wieder ein Luxusgut werden. Das ist eine ziemlich arrogante öko-fundamentalistische Position von Wohlstandsbürgern, die anderen verwehren wollen, was sie selbst genossen haben.

Jeder soll frei wählen können, wann, wohin und mit welchen Verkehrsmitteln er verreist. Flugreise und Sommerfrische in der Region sind kein Widerspruch. Der Ausweg in Sachen Klimaschutz sind weder weitere Steuern noch der Verzicht auf Flugreisen. Durch den Einsatz von synthetischem Kerosin können die CO2-Emissionen des Flugverkehrs auf Null gesenkt werden. Diesen Weg müssen wir gehen. Alles Notwendige dafür ist bereits erfunden. Es liegt in unserer Hand.

Jo-Jo-Effekt nach der Pandemie

Aus Mallorca-Urlaubern werden sicher keine Sommerfrischler. Und dass es durch Corona mittelfristig zu weniger Flugreisen kommt, ist, sofern sich die Flugpreise nicht stark verteuern, unrealistisch. Zwar gibt es eine langfristige Entwicklung zu einem ökologiebewussten, weniger hektischen und materialistischen Leben. Doch nach der Pandemie wird ein Jo-Jo-Effekt einsetzen: Die Menschen werden verpasste Urlaube nachholen. Im Inlandstourismus war 2020 eine Art Sommerfrische die Alternative zu Fernreisen. Das wird sich heuer wiederholen. Aber mittelfristig glaube ich nicht an eine Renaissance der Sommerfrische, die dazu da war, um die Arbeitskraft und Gesundheit wiederherzustellen. Heute ist niemand mehr so ausgepumpt, dass er drei bis vier Wochen Urlaub in beschaulichem Rahmen braucht. Dennoch wird Inlandsurlaub interessanter. Inlandsreisende und Urlauber, die zu Hause bleiben, sind schon jetzt die größten Urlaubsgruppen. Letztere wächst am stärksten – nicht aus finanziellen oder gesundheitlichen Gründen, sondern weil die Umgebung so viel Kulinarik-, Sport- und Freizeitangebot bietet. So schlafen immer mehr Menschen zu Hause, gestalten aber den Rest der Zeit als Urlaub.

Es braucht keine Schlagwortpolitik von Landes- und Bundesstellen, um Einheimischen das eigene Land schmackhaft zu machen. Die Regionen müssen gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung ein Angebot mit Alleinstellungsmerkmal entwickeln. Dann identifizieren sich die Gastgeber damit und können Besuchern am Frühstückstisch begeistert davon erzählen.