Christina Gegenbauer
Reinhard Werner
Christina Gegenbauer

Gegenbauer

Welten verschmelzen


Hier kommt die Zukunft: An dieser Stelle präsentieren wir in jeder Ausgabe Kunstschaffende in und aus Niederösterreich, die jünger als 35 Jahre sind. Diesmal: Christina Gegenbauer.

Christina Gegenbauer ist eine Macherin. Eine Theatermacherin mit viel Gefühl für gesellschaftlich relevante Themen und einer großen Leidenschaft für Teamwork. „Ich finde es unglaublich schön, dass bei Theaterproduktionen so viele verschiedene Expertinnen und Experten mit ganz unterschiedlichen Ausbildungen und Lebensentwürfen gemeinsam an einem Projekt arbeiten“, sagt die in St. Pölten geborene Regisseurin, die 2019 den Kulturpreis, genauer: den Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich in der Sparte Darstellende Kunst erhielt. Für sie spielt der Respekt vor jeder einzelnen Abteilung im Theater, vor jeder Künstlerin und jedem Künstler eine große Rolle. Darüber, dass sie selbst sich diesen hin und wieder etwas härter erarbeiten muss als ihre männlichen Kollegen, spricht Christina Gegenbauer ganz offen: „Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich noch nie aufgrund meines Geschlechts diskriminiert worden wäre.“ Zwar beobachtet sie, dass Geschlechterparität auch am Theater immer häufiger diskutiert wird, aber sie vermisst, dass sich diese Diskussionen in den Zahlen niederschlagen. 

Gesellschaftspolitisch wichtige Themen wie dieses beschäftigen die 32-Jährige auch in ihren Inszenierungen. So zum Beispiel in Dennis Kellys Stück „Waisen“, das Gegenbauer 2019 für das Burgtheater inszenierte. Damit ging für die Regisseurin ein Wunsch in Erfüllung, den sie schon längere Zeit mit sich herumgetragen hatte: „Ich wollte dieses Stück unbedingt inszenieren. Gereizt hat mich daran vor allem die Auseinandersetzung mit der Frage, wie weit man zu gehen bereit ist, um für seine Werte einzustehen.“ 

Es ist nicht das einzige Stück, das bei der jungen Regisseurin eine Auseinandersetzung mit dem Thema Zivilcourage angestoßen hat. Auch ihre Inszenierung der Groteske „Hin und her“ von Ödön von Horvath, mit der die Niederösterreicherin zu den Ruhrfestspielen Recklinghausen eingeladen wurde, stellt die Frage, wem oder welchen Werten man sich verpflichtet fühlt. „Es zeichnet sich ab, dass mir oft Stücke angeboten werden, die alles andere als Komödien sind“, fasst Christina Gegenbauer zusammen. „Das finde ich aber gar nicht so schlecht, weil es mir große Freude macht, aus der Tragik die Komik herauszukitzeln und Fallhöhen zu bauen.“ Ihre Zukunftspläne spielen sich jedoch nicht nur auf der Theaterbühne ab: „Ich hätte große Lust, einmal eine Oper zu inszenieren. Das fände ich unter anderem deshalb spannend, weil meine Arbeiten sehr durchrhythmisiert, choreografisch und körperbetont sind und bei einer Oper der Grundrhythmus schon gegeben ist.“

Wichtig ist der Regisseurin, sich immer wieder die Frage zu stellen, wie Sozialisierung die Gedanken- und Gefühlswelt und damit das Handeln beeinflusst. „Und dafür braucht man das Theater“, fügt sie hinzu. „Denn das Besondere daran ist, dass man sich nicht nur auf einer analytischen Ebene mit diesen Fragen beschäftigt, sondern aufgrund der ästhetischen Auseinandersetzung auch auf einer sehr emotionalen.“ Die große Aufgabe, diese beiden Welten zu verschmelzen und so einzigartige Theatererlebnisse zu erzeugen, führt die Regisseurin 2021 gleich an vier verschiedene Häuser, darunter das Landestheater Coburg. Dort steht die Premiere ihrer Inszenierung von Stefano Massinis „ichglaubeaneineneinzigengott.hass“ am Programm. „Wir brauchen Kunst, um das Erleben auf eine Ebene zu heben, auf die wir im Alltag keinen Zugriff haben. Daher hoffe ich, dass die Theater bald wieder aufsperren dürfen“, sagt Gegenbauer in einem ebenso entschlossenen wie hoffnungsvollen Tonfall, der das eben Gesagte fast wie ein Versprechen klingen lässt. ● ○

Aktuelle Premieren und Inszenierungen: christinagegenbauer.com