Out in Prison
Gabu Heindl
Out in Prison

Justizanstalt Krems

Strafrauminstallation


Freiraum im Gefängnis ist ein rares, aber essenzielles Gut. In der Justizanstalt Krems schuf Architektin Gabu Heindl 2011 eine Alternative zu grauen Höfen. Wie hat sich ihr Entwurf bewährt?

Die Grenze zwischen Haft und Freiheit verläuft quer durch das Haus: Das Bezirksgericht und die Justizanstalt Krems teilen sich einen Gebäudekomplex, entworfen von Architekt Franz Sturm in den 1930er-Jahren. So können Verurteilte direkt vom Gerichtssaal in den Strafvollzug überführt werden. Der Eingang ins Gericht liegt unter Arkaden, gleich neben dem Stadtpark. Ihn zieren Figuren – Anwalt, Rechtsgelehrter, Richter, eine Allegorie auf den Gesetzgeber. Der Zutritt zur Justizanstalt befindet sich bezeichnenderweise rückseitig, an der Kasernenstraße 9: eine lapidare Holztür, Überwachungskamera, vergitterte Fenster, kein Einlass ohne Genehmigung, Ausweiskontrolle, Sicherheitsschleusen.

Als öffentlicher Bau ist die Justizanstalt Krems – nicht zu verwechseln mit der nahen Justizanstalt Stein – im Eigentum der Bundesimmobiliengesellschaft. Von 2008 bis 2011 wurde sie generalsaniert und erweitert, im Rahmen eines Kunst-am-Bau-Wettbewerbs setzte man das Projekt von Architektin Gabu Heindl im Hof um. „Die Erweiterung verkleinerte den einzigen Außenfreiraum zusätzlich. Ich war wirklich erschüttert, wie klein er ist“, erinnert sich Heindl. Der Hof für rund 150 männliche Insassen sowie die Justizwachebeamtinnen und -beamten ist 22 Meter lang und 13,50 Meter breit. Von diesen Maßen ist der Stiegenaufgang abzuziehen. 

Die Inhaftierten in Krems haben täglich ein Recht auf eine Stunde Bewegung im Freien, Jugendliche können doppelt so lang hinaus in den Hof. In der Freizeit von 15 bis 17 Uhr ist bei guter Führung zusätzlich Sport möglich. Jede Abteilung kommt einmal pro Woche am Nachmittag dran. Zwei Stunden brutto sind vorgesehen, netto bleibt weniger: Es dauert, bis die Männer, Frauen und Jugendlichen vorschriftsgemäß von den Wachen in den Hof und wieder zurückgeführt werden.

Immergrün

Fünfstöckige Wände mit vergitterten Fenstern, die durchnummeriert sind, umgeben den Hof für die Männer. Zu schattig für Gras, war der Hof vor Heindls Intervention asphaltiert. Die Architektin machte ihn zu einem Freiraum, der den Horizont erweitert. Ein immergrüner, strapazierfähiger Kunstrasen schafft gewitzt neue Realitäten, ohne die Realität des Gefängnisalltags zu leugnen. Gerade einmal ein Kinder-Fußballfeld, das ein Viertel der Länge und Breite eines regulären Feldes misst, ließ sich hier hereinfalten. Corner und Strafraum knicken sich die Wand des Stiegenaufgangs hinauf, die weißen Bodenmarkierungen für Badminton, Fuß- und Basketball ignorieren das unfertige Rechteck und öffnen das Feld für weitere Sportarten. Auf der Sonnenseite ist der Rasen zur Mulde gewellt.

Ball über die Schnur

Hat sich der Freiraum nach neun Jahren bewährt? An einem Dezembertag steht der stellvertretende Anstaltsleiter, Oberstleutnant Roman Pachschwöll, im Hof. An seinem Gürtel baumeln viele Schlüssel für viele Gittertüren, ebenso wie an denen der anderen Justizwachebeamten, die unaufgeregt ständig präsent sind. In der Justizanstalt Krems sind Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr inhaftiert sowie Männer und Frauen, die Reststrafen bis zu 18 Monaten abbüßen. Die Belegungskapazität liegt bei 162 Personen. „Dieses Kunstobjekt erfreut auch die Insassen. Es gefällt allen“, erzählt Pachschwöll. „Die Idee vom Kunstrasen im Hof ist schon weit über Krems hinaus gedrungen.“ Auch der Luftraum ist kostbar, als Flugbahn für Zigarettenstummel und Trägermedium zur Kommunikation. Ständig tönen Rufe aus den Fenstern. Pachschwöll: „Das kann man nicht unterbinden.“ 

Viele Angestellte anderer Justizanstalten sahen sich Heindls Werk bereits vor Ort an. Für verletzungsfreie Fußballmatches erwies sich das gefaltete Bambini-Feld freilich als zu klein. Mit anderen Spielen klappt es besser: „Wir spielen Basketball, Ball über die Schnur, Volleyball mit dem Fuß oder Handball“, sagt Pachschwöll. „Viele sitzen auch in oder auf der Liegemulde.“ 

Der angrenzende Hof für die Frauen, ebenfalls von Gabu Heindl gestaltet, hat mehr Sonne und eine echte Wiese. „Jetzt im Winter schaut die Wiese trostlos aus, aber im Frühjahr sind alle Frauen draußen. Sie spielen oft Federball, machen Gymnastik und plaudern.“ Dort gibt es ein Hochbeet und eine Bank aus Pressspanplatten, deren Lehne sich schon in Schichten löst. Ein Teil des Frauenhofes ist vom Männertrakt aus einsehbar, ein anderer nicht. Die Gestaltung spielt auf diese Teilung an, mit einer Linie und Sitzinseln im blickgeschützten Bereich.

An der Grenze der zwei Sphären steht eine Schaukel. Die Frauen benutzen sie gern: ein Stück Freiheit. ● ○