Acht Stunden täglich stand der Tänzer und Choreograf Erdem Gündüz am Taksim-Platz in Istanbul und blickte auf das Atatürk-Kulturzentrum. Es war das Jahr 2013, rund um ihn tobten die Gezi-Park-Proteste. Seine Aktion mit dem Titel „Standing Man“ galt binnen kürzester Zeit weltweit als Ikone des Widerstands. Das Signal, das er setzte, wirkte durch die choreografischen Mittel der Stilllegung von Bewegung sowie der Positionierung und Ausrichtung seines Körpers: Im öffentlichen Raum können solche Unterbrechungen innerhalb eines allgemeinen Bewegungsflusses ebenso irritierend wirken wie Abweichungen vom normalen Verhalten der Menge auf den Straßen und Plätzen.
Drei Jahre später war es die afroamerikanische Krankenschwester Ieshia Evans: Das Foto ihres Protests gegen Polizeigewalt in Baton Rouge, Louisiana, ging um den medialen Globus. Fotos zeigen, wie die junge Frau ganz ruhig dasteht, während Polizisten in schweren, schwarzen Sicherheitsrüstungen auf sie zustürmen. Evans war zwar nicht Teil einer Kunstaktion, wurde aber trotzdem zu einer Symbolfigur der US-amerikanischen Protestkultur.
Noch bekannter ist Greta Thunbergs „Skolstrejk för klimatet“ im August 2018 vor dem schwedischen Reichstag in Stockholm. Das Bild der damals 15-jährigen Schülerin mit ihrem Plakat ist mittlerweile weltweit im kulturellen Gedächtnis verankert. Auch Thunberg ist keine Künstlerin. Doch sie hat mit Gündüz und Evans den gewaltlosen Einsatz ihres Körpers im öffentlichen Raum gemeinsam: als performativen Einspruch mit hohem Aufmerksamkeitswert gegen Diktatur (Gündüz), Rassismus (Evans) und die Zerstörung des Lebensraums (Thunberg).