Die Wunderwaffe steckt in einem kleinen Lederetui. Darin verbergen sich Spielkarten und – als Herzstück – eine getrocknete Spinne. Seit dem Mittelalter sagte man diesen Tieren nach, dass sie gegen Krankheiten schützten. Das Spinnenamulett, das sich heute im Museum Niederösterreich befindet, sollte vor Fieber bewahren. Auf dem Sammlungskärtchen vermerkte jemand mit Feder und Tinte: „Wurde um den Hals getragen.“ Der Anhänger ist mit 1870 bis 1890 datiert. Wer sich wohl davon Schutz erhoffte?
Die globale Corona-Pandemie lässt den Aberglauben vergangener Epochen in einem neuen Licht erscheinen. Heimische Museen besitzen viel Anschauliches zum historischen Umgang mit Seuchen, aber die Häuser mussten monatelang geschlossen halten. Dafür zählt das lederne „Amulett gegen Fieber“ aus St. Pölten nun zu jenen 30.000 Objekten, die seit April über die Onlinedatenbank der Landessammlungen Niederösterreich abrufbar sind. Das ist zwar nur ein Bruchteil der über sechs Millionen Objekte in Landesbesitz, aber die digitale Wunderkammer aus den Bereichen Natur, Archäologie, Kunst und Kulturgeschichte wird in Zukunft noch wachsen.
„Die Landessammlungen wollten mit diesem ersten Bestand unbedingt online gehen, solange die Leute noch zu Hause bleiben mussten“, erzählt Isabella Frick von der Donau-Universität Krems. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am dortigen Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften erlebte die Corona-Krise als Beschleuniger in Sachen Digitalisierung. So wurde nach der Schließung der Ausstellungshäuser im Eilverfahren die Online-Datenbank aktiviert. Vorarbeiten für diesen Schritt wurden zwar bereits durch eine Digitalisierungsoffensive seit 2018 geleistet, aber der Start des Webauftritts war ursprünglich erst für Herbst 2020 geplant. Seit dem Frühjahr bieten beispielsweise Podcasts, die unter dem Titel „CollectCasts“ hinter die Kulissen blicken lassen, inhaltliche Auseinandersetzung.
Nun können erstmals über ganz Niederösterreich verteilte Museumsobjekte via Suchleiste abgerufen werden. Wer etwa den Begriff „Maus“ eingibt, stößt auf einen antiken römischen Goldring mit einem eingravierten Nagetier, ein aufziehbares Blechspielzeug aus den 1950er-Jahren sowie eine politische Karikatur des Zeichners Erich Sokol. Die Online-Datenbank liefert auch Informationen zu Objekten, die auf den ersten Blick unspektakulär wirken. So etwa zu jenem Kinderwagen, der während der Flüchtlingskrise 2015 an der Grenze in Nickelsdorf zurückgelassen wurde und den heute das St. Pöltner Haus der Geschichte in seiner Dauerausstellung präsentiert. Der Buggy ist als „Sammlungskonvolut“ registriert, da er unter anderem ein serbisches Busticket, ein Milchpackerl aus Kroatien und ungarische Zigaretten enthielt. An der Herkunft dieser Dinge lässt sich die Fluchtroute ablesen.