Schon im alten Griechenland saßen die Menschen auf Steintreppen und verfolgten gespannt, was der Chor zu berichten hatte. Theater, das scheint seit damals festgeschrieben zu sein, ist ein Live-Erlebnis. Anders als im Kino, wo der Film aus der Konserve kommt, treffen sich hier das Publikum und die Spielenden, um die totale Gegenwart zu feiern: Jeder Abend ist anders, inklusive Texthängern auf der Bühne und Husten im Publikum. Gerade in dieser Unberechenbarkeit und durchlebten Gemeinsamkeit aller Beteiligten liegt die Stärke des Theaters. Digitalisierung und Bühnenkunst: Geht das überhaupt zusammen?
Das Wort Digitalisierung hat in vielen Bereichen einen fahlen Beigeschmack, es klingt danach, dass Menschen durch Maschinen ersetzt werden. Birgit Minichmayr, die am Burgtheater mit einem Roboter als Kollegen auftritt? Eine eigenartige Vorstellung. Dabei ist die Digitalisierung hinter der Bühne längst Alltag. „Ein Lichttechniker, der vor 25 Jahren als Elektriker eingestellt wurde, sitzt heute am Pult und soll Moving Lights programmieren. Und der Tonmeister, der früher Audiokassetten während der Inszenierung eingespielt hat, sitzt heute auch am Rechner“, sagt der deutsche Regisseur Kay Voges in einem Interview und macht deutlich, wie rasant sich die alte Tante Theater zumindest hinter den Kulissen verändert hat.
Im Jänner 2021 wird Voges seine Intendanz am Wiener Volkstheater starten und auch hier versuchen, die Digitalisierung auf der Bühne voranzutreiben. Er gilt als Vorreiter auf dem Gebiet. In Dortmund gründete er im Vorjahr die Akademie für Theater und Digitalität. Die Studierenden dort erforschen, welche Möglichkeiten auf diesem weiten Feld liegen. Inhaltliche Vorgaben gibt es keine. Die bisher präsentierten Ergebnisse der Stipendiatinnen und Stipendiaten aus aller Welt sind dementsprechend vielfältig: von live gedrehten Videos, die zeitversetzt mit den Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne in Beziehung treten, bis hin zur Arbeit an der Visualisierung von Klängen. Vieles wird später auf der Bühne ganz organisch wirken. Trotzdem stehen komplexe technische Abläufe dahinter.