Rückblickend erscheint dieser Tage so manches fast prophetisch. Als Birgit und Nicole Radeschnig 2018 ihr jüngstes Kabarettstück erdachten, ahnten sie noch nicht, dass zwei Jahre später die Welt just in jenem Ausnahmezustand sein würde, von dem sie darin erzählen. In „Doppelklick“, das im Herbst in der Tischlerei Melk und in der St. Pöltner Bühne im Hof gastiert (siehe Randspalte), geht es nämlich um den Versuch einer Annäherung in Zeiten der Abschottung. Dabei führen die Zwillingsschwestern das Publikum durch sämtliche Höhen und Tiefen des Internets – von Chatrooms und Youtube-Kanälen hin zu Echokammern und Fake News.
Es ist ein heißer Sommertag im Juli. Auf dem Kutschkermarkt in Wien-Währing haben Birgit und Nicole Radeschnig es sich auf einer schattigen Bank gemütlich gemacht. Nicole Radeschnigs kleiner Sohn Valentin sitzt im Kinderwagen und spielt mit einer leeren Apfelsaftflasche. Eigentlich hätten die Radeschnigs ihren Sommer in der Kärntner Heimat verbringen sollen. Aufgrund von Corona waren sämtliche Auftritte abgesagt worden: „Eine mittlere Katastrophe, wenn man bedenkt, dass wir als Kabarettistinnen den größten Umsatz in den Sommermonaten machen“, sagt Birgit Radeschnig. Ihre Programme ins Internet zu verlagern, kam für die Zwillinge dennoch nicht in Frage: „Das Kabarett ist eine Kunstform, die vom Dialog mit dem Publikum lebt. Du merkst bei einer Vorstellung sofort, ob die Leute auf deinen Humor reagieren. Für uns ist das Digitale eine reine Geschäftsplattform. Deswegen haben wir beschlossen, keine Auftritte vor imaginärem Publikum zu machen.“
Einmal wagten sich Birgit und Nicole Radeschnig, die sich als Kabarettistinnen schlicht RaDeschnig nennen, dann doch in den menschenleeren Loft-Club am Wiener Gürtel: Ende Juni traten sie dort gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen in der „Loft Night Show“ auf, einem aus der Corona-Krise geborenen Streaming-Format. Nach drei Monaten auf der Couch eine willkommene Abwechslung: „Die Inspiration, die wir zum Arbeiten brauchen, kommt aus dem Umfeld, in dem wir uns bewegen. Die letzten Wochen waren eine Mischung aus Existenzangst und Fadesse. Wir haben nichts Kreatives zustande gebracht“, sagt Birgit Radeschnig. So richtig übergesprungen sei der Funken im Loft nicht. „Du schießt eine Pointe nach der anderen raus und keiner reagiert. Das macht irgendwie keinen Spaß“, ergänzt Nicole. „Wir brauchen das Publikum für den letzten Kick.“