Anna Katharina Bernreitner
Volkskultur NÖ / Lackinger
Anna Katharina Bernreitner

U35

Mozart im Boxring


Hier kommt die Zukunft: An dieser Stelle präsentieren wir in jeder Ausgabe Kunstschaffende in und aus Niederösterreich, die jünger als 35 Jahre sind. Diesmal: Anna Katharina Bernreitner.

Anna Katharina Bernreitner sitzt an ihrem Fenster und blickt auf die sanfte Hügellandschaft des Mostviertels. Sie ist froh, die Corona-bedingte Auszeit hier verbringen zu können. Die Opernregisseurin und Gründerin der Initiative „Oper rund um“ hat sich mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern an ihren Zweitwohnsitz zurückgezogen. „Ich bin glücklich, dass ich hier sein kann“, sagt Bernreitner, „ich genieße den Garten, die Natur und die Zeit mit meiner Familie in vertrauter Umgebung“.

Anna Katharina Bernreitner, geboren 1986 in Waidhofen an der Ybbs, lernt als Kind Klavier und Gitarre, tanzt zehn Jahre lang Ballett, ist bei den Pfadfindern und hört gerne Musical-Klassiker wie „Cats“ und „Elisabeth“. Einmal im Jahr besucht sie mit ihren Eltern die Wiener Volksoper. Heute erinnert sie sich noch genau an die Stimmung, kurz bevor sich der Vorhang hob: „Plötzlich wurde es dunkel und ganz still im Publikum. Ich hatte ein Kribbeln im Bauch vor Aufregung und flüsterte meiner Mutter ins Ohr, dass genau das meine Welt sein sollte“. Bernreitner ist damals 16 Jahre alt. Nach der Matura inskribiert sie Musiktheaterregie. Sie beginnt zu hospitieren und zu assistieren, lernt eigene Stücke zu produzieren und merkt schnell, wie wichtig es ist, den Darstellerinnen und Darstellern eine Stimme zu geben. „Die Proben sind für mich die wichtigste Zeit. Wenn ich versuche, jemandem meine Idee aufzuzwingen, kann ich nur scheitern. Ich möchte sehen, wie sich eine Figur innerhalb des Ensembles entwickelt. Es ist eine Gratwanderung zwischen individueller Freiheit, Kreativität und dem kollektiven Willen, gemeinsam etwas Großes auf die Bühne zu bringen.“

Auf ihrem Weg lernt Bernreitner ihren Kollegen Claus Guth kennen, mit dem sie bis heute immer wieder zusammenarbeitet. Nach dem Studium holt Barry Kosky sie als Regieassistentin an die Komische Oper Berlin, 2011 gründet die Niederösterreicherin die Künstlergruppe „Oper rund um“, mit der sie Opern an ungewöhnlichen Orten zur Aufführung bringt. Das erste Stück spielt rund um die ehemalige Apotheke ihrer Mutter in Aschbach-Markt. Seither sind weitere außergewöhnliche Musikproduktionen entstanden, dort, wo man sie nicht erwartet: Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ in einem Boxring im ehemaligen Bene-Werk in Waidhofen, Johann Strauss’ „Fledermaus“ als Poolparty im Freibad Aschbach oder „Don Giovanni“ als spannungsgeladener Opernkrimi im Hof von Schloss Rothschild, ebenfalls in Waidhofen. Mit ihren Inszenierungen will Bernreitner Menschen erreichen, die meinen, mit Oper nichts anfangen zu können. „Oper ist für alle da. Man muss nur den richtigen Zugang finden.“

Für den Sommer steht Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ am Programm. In der Eishalle Waidhofen wird sie Offenbachs Meisterwerk als wilde, queere Show inszenieren, so die Corona-Krise das zu diesem Zeitpunkt zulässt. Für die Zeit danach wünscht sich Anna Katharina Bernreitner, dass man sich in der Kultur auf ein solidarischeres, den Einzelnen wertschätzendes System zurückbesinnt – und vor allem, „dass die Menschen wieder Lust auf Kunst und Kultur haben und sich die Theater wieder mit Leben füllen“. Das Stück „Orpheus in der Unterwelt“ hat Premiere am 16. Juli. Weitere Termine hier: http://www.oper-rund-um.at/orpheus/ ● ○