Das ändert nichts an der Verbreitung der Bilder heute. Wenige Monate später wurden ähnliche Fotos auch in Oberösterreich, mit dem damaligen Landeshauptmann Josef Ratzenböck, und in Niederösterreich, mit seinem Kollegen Siegfried Ludwig, inszeniert. Einer von jenen, die damals vorne dabei waren, heißt Herbert Schleich. Der Fotograf im Ruhestand, der damals für die niederösterreichische Landeskorrespondenz arbeitete, empfängt morgen zum Interview in seinem Haus im nördlichen Weinviertel. Zu Kaffee und Ribiselkuchen gibt es Fotos, Erinnerungen und ein Stück Stacheldraht, montiert auf einem Brett und mit dem Datum 17.12.1989 versehen. Diesen Zaunabschnitt sicherte er sich an jenem Tag, als Ludwig in Kleinhaugsdorf mit Jiří Dienstbier zusammentraf, dem damaligen Außenminister der Tschechoslowakei, bejubelt von 2.000 bis 3.000 Menschen, wie Schleich sagt. Später ging es nach Laa an der Thaya, wo auch Mock dabei war. „Am Grenzübergang Laa an der Thaya / Hevlín stand noch der originale Eiserne Vorhang, im sogenannten Niemandsland. An die 40 Fotografen und an die 20 Fernsehteams, national und international, waren postiert“, erinnert er sich und setzt nach: „Als Fotograf musst du dir deinen Platz erkämpfen, gelegentlich die Ellbogen ausfahren. Es ist doch klar, jeder Fotograf will den besten Platz, um das beste Foto zu machen.“ Das Gedränge kann man sich vorstellen: „Ich stehe zentral in der Mitte in der zweiten Reihe, augenscheinlich ein guter Platz. Plötzlich steht vor mir ein Fotografenkollege auf und schlägt mir meinen Apparat unabsichtlich an meine Unterlippe, ich blutete.“ In einer halben Stunde sei die Angelegenheit erledigt gewesen.
Im Gegensatz zu heute, wo Fotografinnen und Fotografen pro Termin zig, wenn nicht Hunderte Fotos schießen – Speicherplatz ist schließlich genug vorhanden – waren die Kapazitäten damals limitiert. „Ich habe damals an die 15 Fotos von Landeshauptmann Ludwig, Alois Mock und Jiří Dienstbier gemacht. Ich war über die Aussagekraft der Bilder erfreut.“