Die Männer sind sichtlich ausgehungert. In gestreifter Kleidung drängen sie sich in einem dunklen Gewölbe; sie stehen Schlange, um Suppe aus einem Bottich zu erhalten. Einige sitzen auf Holzstämmen und essen. Einer von ihnen kauert auf einem Gerüst, unter dem ein Kübel steht. Er verrichtet offenbar seine Notdurft. Die Gesichter der Kahlgeschorenen erscheinen mehr wie Totenschädel als wie Antlitze von Lebenden.
Die Zeichnung heißt „Die Suppe in den Stollen“. Ihr Schöpfer Daniel Piquée-Audrain überlebte das KZ Melk. Die Szene spielt in der Nähe von Roggendorf nahe Melk. Dort mussten ausschließlich männliche Häftlinge Zwangsarbeit leisten – im Auftrag von Unternehmen, allen voran dem Industriebetrieb Steyr-Daimler-Puch AG. Die NS-Behörden nannten es „Projekt Quarz“.
Außenlager Melk
14.390 Häftlinge lebten, viele von ihnen starben innerhalb rund eines Jahres, von 21. April 1944 bis Anfang Mai 1945, auf dem Gelände der heutigen Birago-Kaserne am Stadtrand von Melk. Von dort gingen sie – in drei Schichten – täglich zu einem Zug, der sie nach Roggendorf brachte. Sie kamen aus Auschwitz und Mauthausen, dessen Außenlager Melk war – nach Gusen und Ebensee das drittgrößte Österreichs. Das erzählt Alexander Hauer. Er ist nicht nur künstlerischer Leiter der Sommerspiele und der Tischlerei Melk sowie der Bühne im Hof in St. Pölten, sondern auch Gründer und Obmann des Vereins Merkwürdig – Zeithistorisches Zentrum Melk (ZHZ), der sich seit 1994 die Erinnerung an das KZ Melk und seine Insassen zur Aufgabe macht. Er kooperiert dabei eng mit der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, die 2022 die Betreuung und Pflege des Ortes übernahm.