Open-Air-Kino des Filmclubs, Strandbad Drosendorf
© Filmclub Drosendorf
Open-Air-Kino des Filmclubs, Strandbad Drosendorf

Drosendorf

Im Schein des Kohlebogenlichts


Vor 30 Jahren rettete eine private Initiative das Kino in Drosendorf. Heuer feiert es sein hundertjähriges Bestehen.

In Drosendorf an der Thaya steht ein Gasthaus, der Failler, auch „Zum Goldenen Lamm“ genannt. Wer hierher auf Sommerfrische kommt, schätzt die Aussichtsterrasse. Unter einer mächtigen Kastanie sitzend, blickt man da weit ins Land. Nur, seltsam: Warum hat gerade hier, am schönsten Fleck der Welt, die Hausmauer keine Fenster? Der Grund ist wohlüberlegt. Denn hinter dicken Mauern liegt ein Kinosaal, der heuer sein 100. Jubiläum feiert – erstmals flimmerten hier 1920 Bewegtbilder über die Leinwand. Und das tun die bis heute. Man betritt den Raum durch eine gepolsterte Tür und steht der Leinwand gegenüber. Am anderen Ende des Saales liegt die Nische, in der zwei Filmprojektoren der AEG Serie Euro M2 von 1937 auf ihren Einsatz warten. Sie leuchten mit elektrischen Kohlebogenlampen.

Lange Abende

Einer der wenigen, die sie bedienen können, ist Willi Erasmus, der den Filmclub Drosendorf seit 1991 leitet. Vor 30 Jahren, nachdem das Kino mehr und mehr an Bedeutung verloren hatte, erweckte er es mit einigen anderen zu neuem Leben. Das Engagement ist ungebrochen: Indem einige örtliche Enhusiastinnen und Enthusiasten Filmreihen programmieren, Symposien organisieren und an langen Abenden Open-Air-Kino-Einladungen in Umschläge schieben, sorgen sie dafür, dass das 1920 gegründete Landkino bis heute lebt und nicht, wie viele andere, dem Kinosterben zum Opfer fiel.

„Vor den Maschinen“, sagt Willi Erasmus, und meint damit die mächtigen Projektoren, „hatten wir alle von Anfang an großen Respekt. Man muss ständig einen Blick darauf werfen, es gibt keinen automatischen Vorschub – die Enden der beiden Kohlestäbe müssen im richtigen Abstand sein. Wenn der nicht passt, wird es zu dunkel. Das hat die Angst vor der Vorführung gesteigert, besonders, wenn Filmemacher anwesend waren.“ Einer davon ist Ulrich Seidl, der unweit des Kinos wohnt. Beinahe jeder seiner Filme wurde auf diesen Projektoren gespielt. „Er ist immer vorher gekommen, um den Ton einzustellen. Dabei: Eine Mono-Tonanlage kann eben keinen Surround-Ton abspielen. Das musste er irgendwann schmerzlich zur Kenntnis nehmen.“

Kuschelerlaubnis

In Wirklichkeit hat das gemeinsame Zittern natürlich Spaß gemacht. So wie die Jagd nach Ersatz-Kohlestäben, die immer schwieriger wurde. Wo stehen schon noch analoge 35-mm-Projektoren, die mit Kohlebogenlicht laufen? Aber so war sie ursprünglich gedacht, die Vorführsituation für Filme wie Sergej Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ von 1925.

An einem Abend im April läuft der Filmklassiker, dazu spielt die Electroband Innode. Das Publikum sitzt an den Tischen, isst und trinkt im flackernden Halbdunkel. Ein kleiner Bub rutscht irgendwann auf den Boden, kuschelt sich in seine Jacke und schläft ein. Das stört hier keinen. Vieles ist hier erlaubt, wofür man anderswo scharfe Blicke ernten würde.

Eine rein nostalgische Veranstaltung ist der Filmclub übrigens nicht. Nach dem Corona-Lockdown eröffnete er kurzerhand ein Autokino. Projiziert wurde mit einem modernen Beamer an die Wand des Lagerhauses beim Bahnhof. Die Technik organisierten Willi Erasmus’ Tochter und Sohn. Bisher gab es zwölf Vorführungen, weitere sollen folgen. Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche, sagt man, angeblich nach einer Metapher des französischen Sozialisten Jean Jaurès. Das gilt für Kohlestabprojektoren wohl erst recht.● ○