Sigrid Horn
@ Heribert Corn
Sigrid Horn

Horn

Politische Gefühle


Hier kommt die Zukunft: An dieser Stelle präsentieren wir in jeder Ausgabe Kunstschaffende in und aus Niederösterreich, die jünger als 35 Jahre sind. Diesmal: Sigrid Horn.

„Sie is a lebende Maschin / Er is a lebende Maschin / Augfaungd homs mit nix / im Wissen, dass die Liebe gibt.“ So besingt Sigrid Horn die Liebesgeschichte ihrer Großeltern. Immer, wenn die Singer-Songwriterin in ihrem Stück „Radl“ den rührenden Lebenslauf des Arbeiterpaares erzählt, weint jemand im Publikum, berichtet sie.

Sigrid Horn macht Musik, die Mostviertler Dialekt, starkes Storytelling und eine politische Haltung vereint. Oft wird sie dabei entweder in die Ecke der emotionalen Geschichtenerzählerin oder die der politisierenden Liedermacherin gestellt. „Beides ist eine verkürzte Darstellung“, sagt die 30-Jährige. Gerade im Kommunizieren von Gefühlen liege oft auch etwas sehr Politisches.

Ihre Eltern waren beide „Zua­graste“. Als sie nach Neuhofen an der Ybbs zogen, arbeitete ihr Vater Miguel Horn als Bildhauer. Es sorgte für Furore in der Marktgemeinde, dass im alten Bauernhaus, das die Familie bezog, keine Traktoren, sondern riesige Skulpturen standen. Mittlerweile seien aber alle dort glücklich mit der Künstlerfamilie in der Nachbarschaft, so die Tochter. Die Musikgeschmäcker der Eltern fanden in ihrem Musikschaffen zusammen – ihr Vater, aufgewachsen in Chile, hört gerne südamerikanische Singer-Songwriter und französische Chansons, während die Mutter bei Austropop lauter dreht. Sigrid lernte Klavier und wollte als Teenager Jazz-Saxofonistin werden. Später kam noch ein weiteres Instrument hinzu: die Ukulele. „Ich brauchte ein Instrument, weil ich damals in Spanien lebte und einsam war. Im Musikgeschäft konnte ich mir nichts anderes leisten als eine kleine rosa Plastik-Ukulele. Und so lernte ich, meine Gefühle und Gedanken darauf auszudrücken.“

Politisch bewegt war Sigrid schon als Kind, als sie beim Nachrichtenschauen gerne und oft nachfragte. „Mir ist es wichtig, mich in meiner Umgebung zu verorten, zu wissen, was abgeht, und so auch bewusste Entscheidungen treffen zu können“, betont die gebürtige Niederösterreicherin. Ihre Band Wosisig nahm mehrere Male beim FM4 Protestsongcontest teil. Nach der Auflösung suchte Sigrid Horn nach einer neuen Plattform für ihren meinungsstarken, künstlerischen Ausdruck. Sie wurde unter dem Namen Giga Ritsch Teil der Wiener Poetry-Slam-Szene. „Das zwang mich, mehr über meine Texte nachzudenken und damit auf eine andere Qualität zu zielen“, sagt Horn. Sie machte schließlich als Solomusikerin weiter, nicht zuletzt durch den Zuspruch des Liedermachers Ernst Molden, der sie bei seinem Label unter Vertrag nahm. „Ernst ist für mich jemand zwischen Firmgöd und Voodoo-Priester.“ Sie gewann den Protestsongcontest 2019 auf eigene Faust mit dem Song „Baun“, der die Vorstellung vom endlosen Wachstum kritisiert, die eine arrogante und rücksichtslose Haltung der Natur und den Mitmenschen gegenüber mit sich bringt. Sie spielte am Popfest in Wien und wurde im Frühjahr dieses Jahres sogar in die Elbphilharmonie in Hamburg eingeladen, wo sie ihr zweites Album „I bleib do“ zum ersten Mal live performte. Eine steile Karriere – doch die kleineren Konzerte bedeuten Sigrid genauso viel wie die großen Meilensteine: „Wenn du am Land in einem Kulturkeller vor 20 Leuten spielst und nachher jemand verplärrt zu dir kommt und sagt ‚Danke! Das war wichtig für genau den Punkt in meinem Leben, an dem ich mich momentan befinde‘, dann ist das genauso groß wie die Elbphilharmonie.“ ● ○