Ich habe viele Lieblingsobjekte, also nehme ich jenes, das aus meiner Sicht gerade am meisten diskutiert wird: Es handelt sich um ein Werk des Tiroler Fotografen Lois Hechenblaikner, das eine Szene aus Ischgl zeigt. Wir haben das Bild 2014 erworben. Es hat nun eine ungeheure Aktualität bekommen: Hechenblaikner publizierte sein Ischgl-Buch und setzte „unser“ Foto auf das Titelbild. Ischgl ist als Corona-Hotspot in aller Munde, und das Buch ging sprichwörtlich durch die Decke. Es wurde in allen bekannten deutschsprachigen Medien besprochen.
Dazu kam noch ein zweiter Aspekt: Das Bild zeigt einen Berg geleerter Bierkisten der Firma Mohrenbräu, die ihren Sitz in Dornbirn in Vorarlberg hat. In Folge der „Black Lives Matter“-Bewegung sah sich das Unternehmen einer ausgewachsenen Rassismusdiskussion ausgesetzt. Das Bild Lois Hechenblaikners hat also gleich zweifach eine enorme Aktualität erfahren. Es repräsentiert damit das vielleicht aktuellste Sammlungsobjekt des Vorarlberg Museums im Jahr 2020.
Was das Sammeln der Gegenwart während der Krise betrifft, gibt es viele Herausforderungen: Das Interesse an den Objekten und das Wissen darüber sind zum Beispiel notwendig. Außerdem müssen wir die Geschichte zu einem Objekt mitsammeln. Auch eine materiell völlig wertlose alte Sporttasche kann wichtig werden, wenn sie eine gute Geschichte erzählt. Wie die des in den 1970er-Jahren nach Vorarlberg zugewanderten Radomir Petrovic mit einem Werbeaufdruck der Sparkassenbank. Auf der Tasche stehen sein Name und sein Verein: Rote(r) Stern Bregenz. Petrovic spielte jahrelang in der sogenannten Jugo-Liga, die sich unter den Zuwanderern in Vorarlberg etabliert hatte. Sie löste sich just in jenem Moment auf, als im ehemaligen Jugoslawien der Krieg losging.