Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser!


Die Corona-Krise brachte den Umgang mit digitalen Medien ein ganzes Stück voran.

Es war Karfreitagnacht. Beim Zappen durch die TV-Kanäle stieß ich auf eine Aufführung von Bachs „Johannes-Passion“. Wie so häufig dieser Tage spielten die Musikerinnen und Musiker in ihren Wohnzimmern, die Aufnahmen fanden per Videokonferenz in einer großen Collage zueinander. Nur der Tenor und einige andere Beteiligte performten vor Ort, in der Thomaskirche in Leipzig. Das Online-Event erhielt traumhafte Zugriffe. Menschen aus aller Welt kommentierten es begeistert in den sozialen Medien. Mich persönlich deprimierte das Ganze eher: Es demonstrierte auf drastische Weise die Isolation, in der Menschen während einer Pandemie leben. Und machte die Sehnsucht nach Live-Erfahrungen noch drängender. War Letzteres vielleicht sogar ein nicht ganz unbeabsichtigter Nebeneffekt? 

Die Corona-Krise brachte den Umgang mit digitalen Medien ein ganzes Stück voran. Sie zeigte aber nicht nur, wo deren Möglichkeiten liegen, sondern verwies auch auf ihre Grenzen – und stellte die große Frage: Wie kann Kunst im virtuellen Raum stattfinden? Noch 1997 schrieb Beat Wyss: „Das Leben funktioniert analog, der Computer digital.“ Zwischen diesen Wirklichkeiten gebe es keine Brücke, so der Schweizer Kunsthistoriker damals. Diese Vorstellung hat sich längst überholt. Heute findet die Kunst neue Formen des Zusammenspiels zwischen dem Analogen und dem Digitalen. Nicht immer glückt es. Kulturpessimismus ist dennoch fehl am Platz; das beweisen Kunstwerke wie Michaela Putz’ Serie „Gloom of Mnemosyne“, aus der unser Coverbild stammt (ab Seite 26). Dennoch dürfen wir die Gefahren der völligen Durchdringung des Lebens durch digitale Technologien nicht unterschätzen.

Das aktuelle morgen beleuchtet dieses Kräftefeld und zeigt, wie der Kulturbetrieb neue Möglichkeiten im virtuellen Raum auslotet. Unser Special widmen wir dem 31. Österreichischen Museumstag in Krems. Dieser beleuchtet unter anderem die digitalen Entwicklungsschübe, mit denen die Museen auf die Krise reagiert haben. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen. ● ○

Herzlichst

Ihre Nina Schedlmayer